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Die verborgene Grotte

Die verborgene Grotte

Titel: Die verborgene Grotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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besser. Und es war ja eigentlich auch gar nicht mehr viel zu tun.
    Die meisten Zimmer im Obergeschoss waren inzwischen vollgestellt, also trug Karl den restlichen Krempel in den letzten Raum am Ende des Flurs, in dem schon ein paar Kartons aufgestapelt waren und zwei Särge genau hinter der Tür standen. Er hatte nicht vor, sie zu öffnen.
    An einer Wand hing das Porträt einer Frau. Es hatte einen ovalen Rahmen aus verschnörkeltem, fast schwarzem Holz und in dem schummrigenLicht war Karl nicht sicher, ob es sich um ein Gemälde oder eine Fotografie handelte. Die Dame hielt den Kopf schräg und blickte zur Seite. Sie wirkte etwas älter als Karls Mutter und hatte schwarzes, lockiges Haar. Karl erstarrte. Noch deutlicher als in Pilkins’ Gemälde unten in der Halle bewegten sich die großen, dunklen Augen dieser Frau.
    Ihr Blick folgte ihm, ernst betrachtete sie ihn ein paar Sekunden, dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Karl erstarrte vor Schreck.
    »Du musst keine Angst haben«, sagte eine Stimme und das Gesicht verschwand aus dem Rahmen.
    Karl blinzelte verwirrt. Im nächsten Moment stand die Frau genau vor ihm. Es dauerte einen schwindeligen Augenblick, ehe Karl begriff: Die fremde Frau hatte hinter den gestapelten Kartons gestanden. Er hatte mitnichten ein Porträt an der Wand gesehen, sondern das Spiegelbild eines lebendigen Menschen.
    »Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte die Frau. »Ich habe dich gar nicht gesehen, als ich vorhin angekommen bin.«
    »Ich war im Keller«, sagte Karl unsicher. »I-ich trage die Kartons   …«
    »Ach ja, genau«, sagte die Frau. »Ausgezeichnet.Du musst also Karl sein. Man hat mir gesagt, dass du hier sein würdest.«
    Sie streckte ihm die Hand entgegen.
    »Ich heiße Miriam Matin.«
    Sie war vielleicht fünfundvierzig. Eine elegante Dame, hätte Großvater gesagt. Aber sehr ernst.
    »Ich bin bald fertig«, sagte Karl. »Unten ist schon fast alles leer geräumt.«
    Miriam Matin nickte.
    »Mach ruhig weiter. Ich kann irgendwo anders anfangen.«
    Karl ging zur Treppe zurück.
    »Du bist doch vorsichtig?«, rief Miriam ihm nach. »Hier gibt es viele wertvolle Sachen.«
     
    Karl holte den letzten Karton. Das Erdgeschoss wirkte jetzt viel größer. Es schien, als wäre es gründlich durchgelüftet worden und atme neues Leben.
    Miriam Matin war nach wie vor oben, wenn auch in einem anderen Zimmer. Sie saß vor einer Schrankwand und war gerade dabei, sie auszuräumen.
    »Ich bin jetzt fertig«, sagte Karl, aber Miriam schien ihn nicht zu hören.
    »Ich werde wahnsinnig!«, schimpfte sie verärgert.»Hier ist es so dunkel, dass ich überhaupt nichts erkennen kann.«
    Sie drückte den Schalter der Stehlampe, um Karl zu demonstrieren, dass sie nicht funktionierte.
    »Sie ist kaputt, aber an der Glühbirne liegt es nicht.«
    Karl kam näher und sah sich den Schalter genauer an. Er erinnerte sich, im Erdgeschoss einen Schraubenzieher gesehen zu haben.
    »Sicher ist nur das Kabel ein bisschen locker«, sagte er. »Ich versuche mal, ob ich es reparieren kann.«
    Er nahm die Lampe mit nach unten. Auf einem Regal in der Halle stand ein alter Keramikpokal, in den er jede Menge Kleinkram geworfen hatte. Nach kurzem Wühlen fand er den Schraubenzieher. Er löste die Schraube, genau wie er es bei Großvater beobachtet hatte, und dann war es ein Leichtes, das lose Kabel wieder ordentlich zu befestigen. Karl zog die Schraube fest und ging, sehr zufrieden mit sich, die Treppe wieder hoch.
     
    »So. Ich glaube, jetzt funktioniert sie wieder.«
    Karl steckte den Stecker in die Dose und schaltete die Lampe ein. Überrascht sah Miriam, wie sich warmes Licht im Zimmer ausbreitete.
    »Nicht schlecht.«
    Karl gab sich alle Mühe zu verbergen, wie stolz er war.
    »Wie gesagt, ich bin jetzt fertig mit den Kisten   … dann gehe ich wohl mal   …«
    Miriam Matin nickte und Karl drehte sich um.
    »Oh, Karl, Moment, das hätte ich ja fast vergessen. Du bekommst ja noch dein Geld.«
    Sie zog ein Portemonnaie aus ihrer Handtasche, die auf dem Boden stand, und streckte Karl einen Fünfhundert-Kronen-Schein entgegen.
    »Bitte sehr. Danke für die Hilfe.«
    Karl murmelte ein Dankeschön und betrachtete verblüfft den großen Geldschein, während Miriam schon wieder in einem Haufen Kleider kramte. Er nickte ein wenig unsicher und verließ den Raum. Aber als er gerade auf halber Treppe war, rief Miriam ihm hinterher.
    »He! Warte mal!«
    Sie kam eilig aus dem Zimmer.
    »Ich hatte

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