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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Ferne leuchtete wie eine winzige rote Schachtel – die Taverne! Tobbs ballte die Hand zur Faust und stieß einen lang gezogenen Triumphschrei aus.
    In wenigen Minuten würden sie zu Hause sein. Endlich zu Hause! Der Mancor jagte abwärts und stieß ein Gebrüll aus, das von den Talwänden widerhallte. Innerhalb weniger Sekunden verloren die blühenden Bäume im Tal all ihr Laub und ihre Blüten. Als gewaltige rosa-grüne Wolke wirbelten sie im Luftzug des Streitwagens hoch. Im nächsten Moment waren sie überall – Blütenblätter in Tobbs’ Nase, in seinem Mund, in den Ärmeln und im Kragen. Neben ihm hustete und würgte Sid. Dann zerfielen die Blütenblätter und der ganze Wagen duftete von einer Sekunde auf die andere betäubend nach Räucherwerk. Asche verwehte.
    Tobbs sog den Duft tief in die Lunge und musste mit einem Mal grinsen. Es war ihm gelungen, aus einer Gefängniszelle zu fliehen – in einer fremden Stadt in einem fremden Land! Und er hatte Mamsie Matata und die anderen gefangenen Seelen im Spiegel gerettet. Vielleicht war Sid mit seiner Art, den Ärger zu suchen, doch nicht nur ein nerviger Dämon, sondern wusste etwas, was Tobbs gerade dabei war, für sich zu entdecken?
    Hart setzte die Kutsche wieder auf dem Boden auf. Der Stoß kam so unerwartet, dass Tobbs das Gleichgewicht verlor und gegen die Seitenwand geschleudert wurde. Ein loser Zügel klatschte an seine Stirn. »Halt!«, schrie Sid. »Hej-jaaaarrrrrr!« Verzweifelt klammerte er sich an die lädierte Seitenwand.
    Mit einem Schreckschauer erkannte Tobbs, dass der Dämon die Zügel verloren hatte.
    »Er … will … nicht … an… hal… ten …«, ratterte Sid.
    Tobbs hangelte nach dem flatternden Zügel und bekam ihn zu fassen. »Stopp!«, brüllte er dem Mancor zu und zog mit aller Kraft am Zügel. Der Mancor warf nur einen spöttischen, blau glühenden Blick über die Schulter, machte einen Bocksprung – und keilte mit den Hinterbeinen aus! Der Zügel ruckte schmerzhaft in Tobbs’ Hand.
    Panik erfasste ihn: Mamsie Matata! Auf gar keinen Fall durfte er zulassen, dass ihr Spiegel jetzt zerbrach! Sid klammerte sich an ihn. »Nicht loslassen!«, brüllte er. Holz barst unter den Tritten des Mancors. Der Wagen brach und kippte auf die Seite. Aus dem Augenwinkel sah Tobbs, wie das heile Rad davonschlingerte und wie ein betrunkener Wanderer über den Plateaurand in die Schlucht kippte.
    »Lass ihn nicht los!«, piepste Sid. »Jetzt bloß nicht loslassen!«
    Eine Sekunde war Stille – dann zog ein schmerzhafter Ruck an seinem Handgelenk. Der Zügel zurrte sich um seine Finger fest und riss ihn aus den Trümmern des Streitwagens. Mit aller Kraft versuchte er auf dem Bauch zu bleiben, um Mamsie Matata zu schützen. Mit Sid wurde er über den Boden geschleift – direkt auf die Tavernentür zu!
    Bei jedem Sprung schien der Mancor kleiner zu werden, bis er die Größe eines normalen Tigers erreicht hatte. Seine Kraft schien sich indessen zu verdoppeln – er peitschte mit dem Löwenschwanz und stürmte geradewegs durch die Tür!
    Tobbs senkte im letzten Moment den Kopf und kniff die Augen zu. Es fühlte sich an, als würde er gegen eine Gummiwand aus zähen Minuten prallen. Sein Herz bremste herunter, das Blut sackte in seinen Bauch, ihm wurde schwindlig und der Atem kam nicht in seine Lunge. In diesem unwirklichen Moment endlos gedehnter Zeit sah er ganz am Ende des Flurs eine Gestalt – sie hatte eine Zuckerdose in der Hand und trug eine Schürze. Dopoulos! Der Wirt drehte in Zeitlupe den Kopf und blieb regungslos stehen. Unendlich langsam klappte sein Mund auf. Ungläubig starrte er auf das Bild, das sich ihm bot. Dann hatte sich Tobbs’ Körper endgültig auf die langsamere Tavernenzeit eingetaktet und ließ sein Herz im gewohnten Rhythmus schlagen.
    Jemand musste die Tür zum Festsaal geöffnet haben, denn die Dämonenmusik schallte nun auch durch diesen Flur. Sie traf Tobbs mit voller Wucht, schüttelte ihn durch und wummerte gegen seine Schläfen – im selben Takt donnerten die Hufschläge des Mancors über den gebohnerten Boden, der nur so unter ihnen dahinzischte. Schwach nahm Tobbs den Honiggeruch von Dopoulos’ selbst gemachtem Bohnerwachs wahr, dann erklang ein Splittern. Tausend Spreißel bohrten sich wie kleine Pfeile in Tobbs’ Arme. Fliegender Schlamm ohrfeigte ihn bei jedem Galoppsprung des Mancors. Irgendwo unter seiner rechten untersten Rippe wimmerte Sid. Unendlich weit wurden sie durch nasses Gras

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