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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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geheimnisvoll und gefährlich zugleich.
    »Wir haben doch etwas zu essen«, meinte sie und griff nach ihrem Beutel. »Du hättest sie am Ufer glatt vergessen, aber ich habe sie mitgenommen.«
    Tobbs sah etwas Schuppiges, Helles aufschimmern, das reichte jedoch schon, um ihm den Appetit gründlich zu verderben.
    »Die Schlange? Das ist nicht dein Ernst! Da kann ich mir ja gleich draußen ein paar Regenwürmer suchen und runterwürgen, das ist genauso widerlich.«
    Anguana hob gleichgültig die Schultern und zückte ungerührt ihr Messer. »Fleisch ist Fleisch.«
    Wenig später lief Tobbs wider Willen das Wasser im Mund zusammen. Saftige Würfel von weißem Schlangenfleisch rösteten an Zedernholzstecken über der Glut. Leise zischte das Fett, das aus dem Fleisch triefte. Es duftete nach Hühnchen und Rindersteak und salzigem Würzspeck.
    »Hmm!«, sagte Anguana und nahm einen Spieß aus dem Feuer. »Das hier ist fertig.« Ohne zu zögern, biss sie ein großes Stück Schlangenfleisch ab und schloss genießerisch die Augen. »Köstlich!«, sagte sie mit vollem Mund. »Viel besser als Seeschlangen oder Aale. Probier doch wenigstens!«
    Tobbs griff zögerlich nach einem Zedernstecken. Der würzige Duft stieg ihm in die Nase. Es war ein seltsames Gefühl, das Reptilienfleisch zu kosten. Überrascht kaute er und fiel dann gierig über den Rest des gerösteten Würfels her.
    »Das ist das beste Fleisch, das ich je gegessen habe!«, murmelte er mit vollem Mund. »Das schmeckt nach Huhn und Speck und nach Rosmarin und Honig und …«
    »Nein, es schmeckt nach Zahnbrasse und Berglachs, nach süßem Alpenkraut und Bergrosensamen«, erwiderte Anguana.
    Die Dunkelheit des Gewitters ging in die Abenddämmerung über. Tobbs beobachtete, wie rasch der Mond über den Wipfeln aufging. In dem magischen Wald verging die Zeit offenbar ein wenig schneller als daheim in der Taverne.
    Schließlich versuchten sie, es sich auf den Matten einigermaßen gemütlich zu machen. Tobbs lag im Dunkel und lauschte auf die Stimmen des Waldes.
    Er vernahm Piepsen und Knurren, Bellen und Zischen – doch gleichzeitig bildete er sich ein, ab und zu Stimmen zu hören, die sich etwas zuflüsterten. Gespenster des Waldes mussten es sein, vielleicht die Geister von verirrten Wanderern, die im Wald umgekommen waren.
    Dicht neben sich hörte er Anguanas gleichmäßiges Atmen, das zeigte, dass sie längst eingeschlafen war.
    Tobbs hob die Hand und tat etwas, was er sich in der Taverne niemals getraut hätte: Behutsam strich er über das glatte, seidige Haar. Echtes Nixenhaar! Und wieder war er überrascht, wie glatt und weich es war. Es fühlte sich an, als würde man in fließendes Wasser greifen. Tobbs mochte kein Wasser, aber Anguanas Haar gefiel ihm gut.
    Tobbs träumte.
    Er kannte diesen Traum gut: Wieder einmal hetzte er im Wald auf allen vieren einem Eichhörnchen hinterher, begierig darauf, es mit seinen Zähnen zu fassen. Einige weiße Füchse sahen ihm amüsiert dabei zu. Seine Vorderpfoten zuckten im Galopp, doch sosehr er sich auch bemühte, er kam nicht von der Stelle. Ärgerlich kämpfte er sich aus dem Traum zurück in das wache Leben und spürte, dass seine Hände tatsächlich ruderten, als würde er laufen.
    Und die weißen Füchse waren immer noch da.
    Tobbs fuhr hoch. Kein Traum!, schoss es ihm durch den Kopf. »Anguana!«, flüsterte er. Möglichst unauffällig versuchte er, das Mädchen anzutippen, doch es murmelte im Schlaf und drehte ihm den Rücken zu.
    Das Mondlicht fiel durch die Ritze zwischen den Türflügeln und Tobbs sah, dass auch die Augen der vier Geisterfüchse weiß waren.
    »Sieh an, sieh an«, sagte der Fuchs, der links saß, mit näselnder Stimme. »Unglück im magischen Wald. Und die weiße Schlange schleicht sich in unser Haus.«
    Die drei anderen Füchse grinsten.
    »Stummes Unglück offenbar«, sagte der Fuchs rechts. »Erst Schlange gefressen, dann Zunge verschluckt?«
    »N… nein!«, stammelte Tobbs. »Ich … bin aber kein Unglück.«
    »Kein Unglück!«, sagten die beiden mittleren Füchse wie aus einem Mund. Dann kicherten sie alle vier gleichzeitig los – ein keckerndes, füchsisches Lachen, das in einem hechelnden Japsen endete.
    Tobbs spürte, wie sich die Härchen im Nacken aufstellten. Das gespenstische Flüstern vor dem Gebäude wurde lauter, er verstand einige Wortfetzen, die durch das geöffnete Fenster hereinwehten.
    »Schwarz und weiß …« – »Inari muss ihn verjagen!« – »… Geister! Hast

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