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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Es zischte und stank, als das heiße Eisen einige Schuppen versengte. »Aber wenn ihr etwas Reis möchtet?«
    Mit diesen Worten hob er den Deckel einer kleinen blauen Schale. Köstlicher Dampf stieg ihnen in die Nase und hätte Tobbs beinahe vergessen lassen, dass er sich eigentlich wundern sollte.
    »Du sprichst unsere Sprache?«, fragte er.
    Der Mann lachte so breit, dass er noch mehr an einen Affen erinnerte.
    »Ich spreche sie doch gar nicht! Ihr seid es, die die Sprache von Doman sprecht. Auch wenn ihr offenbar nicht von hier seid. Seid ihr Touristen oder Pilger?«
    »Pilger«, sagte Tobbs.
    »Touristen«, antwortete Anguana gleichzeitig.
    »Und wo kommt ihr her?«
    »Olitai«, log Tobbs.
    »Berg… äh …hausen«, sagte Anguana im selben Moment.
    Der Mann lachte. »Pilgernde Touristen aus Nirgendwo und Überall also. Einen Rat gebe ich euch: Wenn ihr in Doman weiterkommen wollt, solltet ihr euch wenigstens auf eine gemeinsame Geschichte einigen. Aber jetzt esst erst einmal!« Er schaufelte etwas Reis in eine weitere Schüssel.
    Anguana und Tobbs wechselten einen schnellen Blick. Tobbs spürte fast schmerzhaft, wie sich seine Nackenhaare erneut sträubten. Dieser Ort war so durchdrungen von Magie, dass die Luft beinahe knisterte.
    »Nun nehmt schon!«, forderte der Mann sie freundlich auf. »Es ist schon nicht vergiftet, ich esse auch mit, seht her!«
    Anguana beobachtete aufmerksam, wie ein Klumpen Reis im zahnlosen Mund verschwand, dann nahm sie die Schüssel höflich entgegen.
    »Danke«, sagte sie. »Und wer bist du?«
    »Ich? Oh, ich bin Niemand. Einen anderen Namen werde ich euch nicht nennen, denn wir befinden uns hier im Niemandsland zwischen der Geister- und der Menschenwelt. Selbst ich wage mich nur selten in dieses Gebiet. Nur dann, wenn ich auf dem Weg in die Stadt eine Abkürzung nehmen will. Ich verkaufe dort auf dem Markt den besten Reis, seht ihr?«
    Er deutete auf einen prall gefüllten Sack, der neben dem verwitterten Altar stand.
    »Und ihr? Was führt euch hierher?«
    »Verlaufen«, meinte Anguana. »Wir sind Reisende und suchen die nächste Stadt. Leider haben wir … ähm … unseren Kompass verloren.«
    Ein verständnisvolles Nicken war die Antwort.
    »Verlaufen. Das passiert schnell. Die Geisterpfade rufen nach Beinen, die den Weg nicht kennen. Seht zu, dass ihr bald wieder in die Menschenwelt kommt, und nehmt euch in Acht vor den Geistern des Waldes.«
    Augen blinkten neben dem Türpfosten auf und Tobbs erkannte drei junge rote Füchse. Als der Mann die Hand ausstreckte, kamen sie näher, hechelten vor Aufregung und überschlugen sich fast vor Begeisterung, wagten sich jedoch nicht ganz zu seiner Hand heran.
    »Traut nur den Füchsen«, sagte der Alte und lächelte sein gütiges Affenlächeln. »Die Füchse sind gut!«
    Tobbs atmete erleichtert auf. Der Mann war ein Freund der Füchse! Dankbar machte er sich über den Reis her, der leicht salzig und angenehm klebrig war.
    »Von welchen Geistern des Waldes sprichst du?«, wollte Anguana wissen.
    »Oh, da gibt es viele. Den Flusskobold Kappa zum Beispiel! Er ist der Grund, warum niemand es wagt, weiter in den Wald zu gehen. Auch ich halte mich vom Bach fern. Der Kappa saugt die Menschen aus wie eine Spinne die Fliegen. Niemand, der ihn sieht, kommt lebendig aus dem Wald. Außerdem munkelt man von den roten Geisterpferden, die Menschenfleisch fressen. Von den anderen Yôkai ganz zu schweigen!«
    Tobbs hörte auf zu kauen. Yôkai? So hatte der Hirte mit dem Schlangenstab sie genannt. Er hatte Anguana und ihn also für böse Geister gehalten. Nun, einem Flussmonster entronnen, Geisterpferde überlebt und als Yôkai gefürchtet zu werden – das war kein schlechter Start in einem gefährlichen Land.
    »Und Geisterfüchse?«, fragte er. »Die gibt es doch sicher auch?«
    Der Mann lachte. »Inaris Füchse!« Er deutete auf die verwaschene Zeichnung. »Schneeweiß und geschwätzig. Oh ja, sicher. Habt ihr nicht von ihnen geträumt?«
    Tobbs schluckte und überlegte, ob er dem Fremden von seinem seltsamen Traum erzählen sollte, als Anguana ihm zuvorkam.
    »Sie haben zu mir gesprochen«, sagte sie leise. »Heute Nacht, in meinem Traum.«
    Seltsamerweise wurde sie bei diesen Worten rot und senkte verlegen den Blick.
    »Das überrascht mich nicht. Dies ist das Orakel der Göttin Inari«, sagte Niemand. »Früher strömten die Menschen aus allen Teilen Domans hierher in ihren Tempel. Merkt euch die Worte der Geisterfüchse gut! Sie weisen euch

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