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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schwankte etwas und schien große Schmerzen in seinem umwickelten Kopf zu haben.
    »Wir haben alle überlebt«, sagte er. Morotzkij hatte trotz seiner langen Dürre eine angenehme, warme Stimme. Niemand traute sie ihm zu. Aus diesem Gerippe erwartete man ein hohles Schnaufen.
    »Alle?« fragte Putkin und sah sich wieder um.
    »Alle! So viel Glück ist unheimlich.«
    »Ob das ein Glück ist …« Putkin zeigte auf den an den Baumstamm gelehnten Benerian. »Und Makar Lukanowitsch?«
    »Steht noch unter Schockeinwirkung.« Die Susskaja strich sich die verschwitzten und mit Dreck und Laub durchsetzten Haare aus dem Gesicht. Eine Wolke schwarzen Gespinstes, in das sich der Sonnenglanz verirrte und nicht mehr herauskonnte. »Ich habe ihm eine Herzinjektion und Kalzium gegeben … mehr habe ich nicht im Koffer.«
    »Die Medizin des 20. Jahrhunderts!« sagte Putkin giftig. Er wußte selbst nicht, warum er so aggressiv war … vielleicht kam es daher, daß Nadeshna beten konnte und er wirklich nichts hatte, an dem er sein inneres Glücksgefühl abreagieren konnte.
    »Sie benehmen sich flegelhaft!« sagte die Susskaja. »Aber Sie fielen mir schon in Suchana auf, als Sie über den kleinen Flugplatz kamen. Das ist ein Mann, dachte ich, der dreimal auf den Boden stampft und dann denkt, jetzt wächst dort Weizen.«
    »So etwas braucht Sibirien, Jekaterina Alexandrowna!« Putkin wurde rot wie ein gescholtener Schuljunge, und das ärgerte ihn noch mehr. »Soll ich mir einen Gott zulegen, um Ihnen genehm zu sein? Verdammt, ziehen Sie die Lehrerin von dem Ast weg! Ich kann es einfach nicht sehen.«
    Er wandte sich ab, schwankte an der Ärztin vorbei, die ihm nicht aus dem Weg ging, nein, er mußte um sie herumgehen, und traf auf Andreas Herr, der, den nassen Lappen im Nacken festhaltend, langsam zu der Gruppe kam.
    »Beten Sie auch?« brüllte Putkin.
    »Nein. Noch nicht.«
    »Sie werden mir sympathisch, gospodin.« Putkin wischte über sein Gesicht – es war aufgedunsen. Wer weiß, wie lange ich in der prallen Sonne gelegen habe, dachte er. Keiner hat mich weggeholt. Haben mich einfach da braten lassen. Eine unmenschliche Gesellschaft! Da denkt nur jeder an sich selbst, und über fünfzig Jahre sowjetischer Erziehung fällt von ihnen ab, wenn sie am nötigsten ist. Eine Bande, sage ich, eine Bande!
    Putkin setzte sich auf einen der niedergebrochenen Bäume, starrte über die Flugzeugtrümmer und blickte dann zu dem Deutschen hoch. Man hatte sich auf dem Flugplatz von Suchana gegenseitig vorgestellt, man war ja ein gebildeter Mensch. So eine kleine Fluggesellschaft in Sibirien ist immer interessant, man lernt die seltsamsten Menschen kennen, ja es ist, als sei Sibirien ein Sammelbecken extremster Individualisten, die hier von der grandiosen Natur, der unendlichen Weite und dem Gefühl der eigenen Winzigkeit zusammengeschweißt werden. Jeden hier hatte er noch nie gesehen, nur der Deutsche Andreas Herr war ihm nicht fremd. Aber das ging keinen etwas an, am wenigsten den Deutschen selbst.
    »Wissen wir schon, wo wir sind?« fragte Putkin.
    »Nein. Benerian ist noch ohnmächtig, Jekaterina Alexandrowna hat zwar eine alte Karte in den Trümmern gefunden, aber wir kennen ja den Flugweg nicht.« Andreas Herr sprach das merkwürdige Russisch eines Deutschen, das so klar war wie geputztes Glas. Für einen Russen klang es so faszinierend wie das Deutsch für einen Deutschen, wenn es ein Russe spricht. »Wir vermuten, daß wir mitten in der Taiga abgestürzt sind, fast genau auf halbem Weg, wenn man die Uhrzeit zugrunde legt. Sie haben nichts gemerkt, Igor Fillipowitsch?«
    »Nichts.« Putkin schüttelte den Kopf. Er schielte zu Nadeshna. Die Lehrerin hatte ihr Gebet beendet und kam auf die Lichtung zurück. Ein Wesen wie aus einer Feder gemacht, durchsichtig und schwerelos. Aber doch so viel Frau, daß durch die zerfetzte Bluse, die sie vorn zusammenklammerte, die Wölbungen der Brüste deutlich hervorstachen. »Ich habe geschlafen wie ein Biber. Drei Teller Bohnen vorher, das macht müde. Ich esse Bohnen für mein Leben gern. Mit Bohnen bin ich großgezogen worden. Bohnen und Kartoffeln. Meine Eltern waren kleine Kolchosebauern in Sassowo.« Er atmete tief auf und blickte hinüber zu der Susskaja. Sie kontrollierte den Verband von Professor Morotzkij und beugte sich dann zu dem noch immer unansprechbaren Benerian. »Wie ist das eigentlich passiert?«
    »Das kann nur der Pilot erklären. Plötzlich sackten wir ab und fielen wie ein Stein. In

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