Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
der Luft noch brach die linke Tragfläche ab.«
    »Und trotzdem leben wir?« Putkin holte seufzend Luft. »Ein Wunder.«
    »Wollen Sie jetzt auch beten?«
    »Ihre Witze sind abgestanden, Andrej!« Putkin erhob sich und blickte in den wolkenlosen, strahlenden Himmel. »Man wird uns suchen …«
    »Sicherlich. Man wird die Flugroute abfliegen. Was aber, wenn wir vom Weg abgekommen sind?«
    »Andrej, denken Sie so etwas nicht!« sagte Putkin heiser. »Sie sind Deutscher, ein Gast hier … Sie kennen dieses Land nur als Besucher, waren nur einige Wochen am Rande der Unendlichkeit … Sie wissen nicht, was es bedeutet, wenn man uns hier nicht findet und herausholt.«
    »Sie dramatisieren, Igor Fillipowitsch.« Andreas Herr blickte hinüber zu der Wand der Riesenbäume. Eine Mauer in flammenden Farben, durchsetzt mit dem ewigen dunklen Grün der Kiefern und Fichten. »Das ist ein Herbstwald, und er ist auf der Erde, nicht auf einem anderen Stern.«
    »So kann nur ein kindliches Gemüt sprechen!« Putkin machte eine weite Handbewegung. »Wald! Ja. Wald! Aber was für ein Wald! Wald, der im Unendlichen anfängt und im Unendlichen endet. In zwei Wochen ist Winter! Wissen Sie, Andrej, was das bedeutet? Das kommt plötzlich … auf einmal schneit es, auf einmal fegt ein Eiswind übers Land, und dann erstarrt hier alles, und Ihr schöner Herbstwald, die ›Flammende Taiga‹, wird zur ›Toten Taiga‹. Und wir, wir sitzen mittendrin. Ohne Wintersachen, ohne eine Waffe, mit den bloßen Händen! Und da sagt er, ich dramatisiere! He! Warum stehen wir herum wie die Hennen, die einen Hahn suchen? Man sollte etwas tun, Genossen! Wie wär's mit einigen großen Feuerchen, die auf uns aufmerksam machen?«
    »Der Wald knackt vor Trockenheit.« Morotzkij, der bisher nur mit seinem Kopf beschäftigt war, bückte sich ächzend und hob einen Ast hoch. Er zerbrach ihn … das Holz war so trocken, daß es staubte. »Sollen wir alle verbrennen? Sie werden das Feuer nicht unter Kontrolle halten können. Haben Sie Wasser zum Löschen?«
    Putkin starrte den langen dürren Menschen an, und plötzlich begannen seine Lippen zu zittern.
    »Wasser –«, sagte er leise. »Das ist ein heiliges Wort. Haben wir überhaupt Wasser zum Trinken?«
    »Wir wissen es nicht.« Die Susskaja schüttelte Dreck und Laub aus ihrem langen Haar. »Ich habe nur einen Kanister gefunden und ihn für die Wunden verbraucht …«
    »Was haben Sie?« stammelte Putkin. »Sie haben das einzige Wasser … Sie haben einfach … so für die Wunden … zum Waschen … das letzte, wertvolle Wasser … Jekaterina Alexandrowna, das sprechen Sie so gelassen aus …?«
    »Ich habe als Ärztin als erstes an die Versorgung der Wunden zu denken.«
    »Damit wir später alle verdursten!« schrie Putkin auf. »Wasser! Man kann sich die Wunden auch sauberlecken wie ein Hund. Katja, die, denen Sie heute die Wunden ausgewaschen haben, werden Sie in vier Tagen verfluchen und in zehn Tagen aufhängen!«
    »Die Taiga ist voll von Flüssen und Bächen«, sagte Andreas Herr unsicher.
    »Aber hier, hier? Wissen Sie, ob auch hier?« brüllte Putkin. »Sagte es nicht der Professor: Der Wald ist wie Staub so trocken? Wann hat's hier zum letztenmal geregnet? Wann wird es wieder regnen? Wer krepiert ist, braucht kein Wasser mehr.«
    »Wir werden die Birken anzapfen …«, sagte die Lehrerin Nadeshna sanft. »Birkensaft kann man trinken. Ich habe es mit meinen Kindern im Ferienlager einmal aus Spaß gemacht …«
    »Die Birken! Die vor Trockenheit nicht mehr rascheln können! Wasser muß her, zum Teufel!«
    »Jetzt rufen Sie doch nach Gott!« sagte Andreas ohne Spott. Ihm war kotzelend zumute. Putkin fuhr herum wie in den Hintern gestochen.
    »Ich sagte: Zum Teufel!«
    »Der Teufel ist ein gefallener Engel … fragen Sie Nadeshna.«
    Putkin kniff die Lippen zusammen. »Reizen Sie mich nicht«, sagte er tonlos. »Mein verehrter Deutscher, reizen Sie mich nicht! Wir müssen jetzt alle nur einen Gedanken haben: Durch den Wald zur nächsten menschlichen Siedlung! Warum wissen wir nicht, wo wir sind? Katja, wecken Sie Makar Lukanowitsch auf. Was ist das für eine ärztliche Ausbildung, die noch nicht mal einen Schock behandeln kann? Wir müssen wissen, wo wir sind! Nur Makar kann uns das sagen. Tun Sie doch etwas, Jekaterina Alexandrowna!«
    »Es ist alles getan worden«, sagte die Susskaja dunkel. »Halten Sie den Mund, Putkin! Mit bloßem Gebrüll hat noch niemand die Taiga besiegt. Wollen Sie jetzt losrennen?

Weitere Kostenlose Bücher