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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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meine Frau getötet.«
    Plötzlich war das Knistern der brennenden Äste wie das Krachen von Schüssen. Die anderen starrten Morotzkij an und schwiegen betroffen. Morotzkij nickte mehrmals. Seine Stimme blieb aber so warm und doch so gleichgültig wie vorher.
    »Ich habe sie ermordet. Nicht mit Raffinesse, sondern ganz einfach mit einem langen Küchenmesser. In den Rücken gestoßen. Zu Ende war's. Wie das so ist – ich kam einmal früher als sonst aus dem Institut nach Hause, und wer liegt im Bett? Nastja mit meinem besten Assistenten. Eine Woche später war Nastja tot, und Waska Diogenowitsch, den Assistenten, hat man verhaftet, des Mordes angeklagt und zu lebenslanger Strafarbeit nach Workuta verurteilt. Gut hatte ich das eingefädelt, mit wissenschaftlicher Gründlichkeit … Waska hing in einem Indiziennetz und mußte darin umkommen. Freunde, was soll ich das alles erzählen? Er ist in Workuta gestorben, aber ich bin daran zerbrochen. Das Gewissen, meine Lieben. Ich hätte nie geglaubt, daß das Gewissen einen so aushöhlen kann. Da war Sibirien für mich das richtige … hier konnte ich mich in der Weite verlieren, hier stieß mein Gewissen nirgendwo an …«
    »Und Sie, Andrej?« fragte Putkin heiser vor innerer Erregung. »Sie sind Diplom-Ingenieur, Fachmann für Bergbau, nicht wahr?«
    Andreas Herr sah Putkin verblüfft an. »Woher wissen Sie das? Ich kann mich erinnern, Ihnen nur meinen Namen gesagt zu haben.«
    Putkin grinste breit. »Wir sind ein mißtrauisches Volk, Andrej. Warum? Seit Jahrhunderten droht man der Welt mit dem Teufel und den Russen. Das färbt ab. Was von draußen zu uns kommt, wird unter die Lupe genommen. Was will er hier? Was tut er hier? Wo wandern seine Augen hin? Was denkt er über uns? Für uns ist jeder Fremde zunächst eine lebende Lüge. Natürlich, ganz natürlich, daß man ihn heimlich beobachtet, auch wenn er mit noch so friedlichen Absichten gekommen ist. Sie, Andrej Herr, sind nach Rußland gekommen, um auf Einladung des Bergbauzentralrates neue Methoden der Untertageabräumung zu erklären. Soll ich aufzählen, wo Sie überall waren? Seit Sie in Sibirien sind, bin ich Ihr Schatten. Eine dämliche Aufgabe, aber sie mußte sein. Ich bin Ihr drittes Ohr und drittes Auge.«
    »Mit anderen Worten –«, sagte Andreas rauh, »Sie haben mich überwacht.«
    »Erraten.« Putkin lächelte breit.
    »Und was haben Sie an mir gefunden?«
    »Politisch nichts. Als Mann aber sind Sie ein potenter Bursche. In neun Wochen fünf Liebschaften … meine Gratulation! Und herrliche Weiber, meine Freunde, sage ich. Man könnte neidisch werden. Ich hatte immer das Zimmer nebenan, und wenn das Bett knackte, als schlage man es mit einem Hammer zusammen, verfluchte ich meinen Auftrag.« Putkin zeigte auf Nadeshna, die verlegen auf der Unterlippe kaute. »Und Sie, mein zartes Täubchen? Lehrerin? Natürlich. Aber in Suchana? Nein!«
    »Ich habe Verwandte besucht«, sagte Nadeshna Iwanowna leise. Aber plötzlich warf sie den Kopf in den Nacken, und ihre großen Kinderaugen blitzten, daß Putkin ein Kribbeln unter den Haaren spürte. Es war, als wenn sich eine Schlange zum Angriff aufrichtet und zu zischen beginnt. »Nein!« sagte sie laut. Ihre Stimme klang voller und härter. »Ich habe Bibeln verteilt! Ich habe den heimlichen Christen in neunzehn sibirischen Dörfern Bibeln gebracht …«
    »Was haben Sie?« stotterte Putkin entgeistert. »Bibeln?«
    »Fragen Sie den KGB.« Nadeshna Iwanowna Abramowa stemmte die zierlichen Füße in den Waldboden. »Man hat dafür in Moskau eine eigene Abteilung: Bekämpfung der illegalen und verbotenen Einfuhr von Bibeln in die UdSSR. Aber sie kommen auf geheimnisvollen, dem KGB unbekannten Wegen herein. Direkt aus Rom. Dort gibt es eine Dienststelle, die diesen Transport organisiert. Und nicht nur Bibeln kommen heimlich nach Rußland, auch Priester, gut ausgebildete Priester. Ich habe zwei von ihnen in Sibirien zurückgelassen.« Sie sah die anderen kampfeslustig an, eine völlig veränderte Nadeshna. Kein zartes Vögelchen mehr, eher schon ein verkappter Adler mit scharfen Krallen. »Das bin ich! Sie sagten doch, Igor Fillipowitsch, wir sollten ehrlich sein, ohne Maske.«
    »Verteilt Bibeln und Priester!« schrie Putkin und hieb die Fäuste gegeneinander. »Teufel auch, was sind wir für eine Bande! Ein Mörder, ein Spitzel, eine Agentin des Vatikans, ein Deutscher, der russische Weiber wie Bonbons vernascht … und Sie, Jekaterina Alexandrowna? Was bieten Sie

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