Die Verdammten der Taiga
hinein! Das stinkt zwar, aber es wird Wunder wirken! Keine Mücke mehr weit und breit … ich garantiere!«
Er knüpfte die Hose auf und spreizte die Beine. Nadeshna Iwanowna wandte den Kopf tatsächlich weg und starrte in die Finsternis, Jekaterina Alexandrowna zögerte noch, aber als Putkin rücksichtslos sein Wasser strahlen ließ, blickte auch sie weg.
Es zischte, Qualm wallte auf, und es stank erbärmlich. Aber die Mückenwolke lichtete sich. Es war, als bliebe sie entsetzt in der Nachtluft stehen, ehe sie abdrehte.
»Was sage ich?« rief Putkin voll Triumph. »Der Mensch ist doch der Größte! Es lebe der Geist der Improvisation! Genossen, ziert euch nicht. Heran!«
Morotzkij zögerte, aber dann erhob auch er sich, stellte sich ans Feuer und schlug sein Wasser ab. Ihm folgte Andreas Herr … mit einem Seitenblick auf die Susskaja, die sich umgedreht hatte, entleerte auch er sich und setzte sich schnell wieder. Nur Putkin stand noch, ganz Triumphator.
»Eine neue Form von Blutsbruderschaft«, sagte er genußvoll. »Ich danke euch, Brüder. Wenn wir alles weitere so gemeinsam machen, kommen wir durch.«
Er wartete auf eine Antwort, aber als nichts kam, setzte er sich schulterzuckend. Nadeshna Iwanowna hatte beide Hände vor den kleinen Mund gelegt und würgte. Der Gestank des verdampfenden Urins war bestialisch, aber die Mücken blieben weg.
»Unserem Täubchen dreht sich der Magen wie ein Kreisel«, sagte Putkin und grunzte wie ein gestreichelter Hund. »Wir werden uns an noch mehr dreckige Dinge gewöhnen müssen. Haben Sie nicht bemerkt, daß kein Flugzeug gekommen ist? Wir sind längst überfällig, aber nichts rührt sich von Wiljuisk aus. Sechs Menschen und eine alte Maschine sind weg … was ist das schon? Jede Suchaktion ist teurer, als wir bei denen im Wert stehen. Sechs Namen ausstreichen … das ist bequem, einfach, mühelos, kostet keine Kopeke. So ist das, Genossen. Wir sind Dreck, der vom Himmel gefallen ist.«
»Ihre Ungeduld ist schon pathologisch«, sagte die Susskaja. Sie reichte Nadeshna eine geöffnete Konservenbüchse mit Karotten hinüber, damit sie den Saft trinken konnte und dadurch ihren Ekel hinunterspülte. »Warten Sie doch ab … morgen, übermorgen … man sucht uns schon.«
»Soll ich Ihnen sagen, Katja, was morgen und übermorgen ist?« schrie Putkin aufgebracht. »Wir werden hier sitzen und warten. Und in Wiljuisk und Irkutsk werden sie auch sitzen und warten und in die Sitzkissen furzen und nichts tun! Bist du in Sibirien, dann hilf dir selbst … das ist der einzige wahre Satz, den jeder hier in diesem Land im Hirn tragen sollte. Aber bitte, warten wir ab. Starren wir in den Himmel, ob sich ein Propellerchen dreht. Und dann ist plötzlich der Schnee da.«
»Der Schnee kommt bestimmt –«, sagte Morotzkij gleichgültig. »Dem laufen Sie nicht davon, Igor Fillipowitsch. Da spielen zwei, drei Tage keine Rolle mehr.«
»Wir sollen also nichts tun?« sagte Putkin entgeistert.
»Wir sollten etwas mit Planung tun.« Morotzkij holte mit den Fingern drei Karotten aus der Büchse. Nadeshna hielt sie ihm hin, und er aß sie schmatzend. »Es steht außer Zweifel, daß wir zu Fuß weitermüssen. Nur – in welche Richtung?«
Putkin wollte etwas Unanständiges sagen, als er, genau wie die anderen, zusammenzuckte. Jemand hatte mit schriller Stimme geschrien. Zunächst nur einen Laut, aber jetzt brüllte es: »Mutter! Mamuschka! Halt mich fest, Mamuschka, bei Gott und allen Heiligen, halt mich fest! Mutter!«
Morotzkij zog den Kopf in die Schultern, als friere er. Putkin saß mit offenem Mund, und seine Augen glotzten in die Dunkelheit. Nadeshna begann zu weinen und lehnte sich an Andreas Herr. Nur die Susskaja sprang auf und spreizte die schönen, langen schlanken Hände.
»Benerian ist erwacht –«, sagte sie gepreßt. »Ich gehe zu ihm.«
»Mutter!« schrie der Pilot wieder. Seine Stimme überschlug sich und zerbrach. Dann folgte ein Greinen, als habe man einen Säugling ausgesetzt. Jekaterina Alexandrowna nahm ein flammendes Scheit mit und rannte zu dem Baumstamm, an den man Benerian gelehnt hatte. Die kleine Sanitätstasche hatte sie neben ihm abgestellt, um ihm sofort helfen zu können, wenn er aufwachte.
Putkin – wie konnte es anders sein – war der erste, der die Sprache wiederfand. »Von Makar Lukanowitsch werden wir auch nicht erfahren, wo wir hier sind«, sagte er mit Sarkasmus. »Solange er nach seiner Mamuschka brüllt, kann man von ihm keine navigatorischen
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