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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihn so mühelos beiseite gefegt hatte wie die Faust eines Riesen eine Mücke. Er war
noch am Leben, aber Andrej war nicht sicher, ob er sich jemals wieder vollständig erholen würde.
Und er selbst?
Andrej hatte Angst, ernsthaft über diese Frage nachzudenken. Er
fühlte sich unendlich schwach, und auch diese grässliche Übelkeit
war nicht normal. Ganz egal, wie sehr ihm auch der Watschelgang
des Kamels zugesetzt hatte - er hätte sich nicht so fühlen dürfen.
»Andrej?« Meruhes Stimme drang wie durch Watte gedämpft an
sein Ohr. Andrej sah erschrocken auf und begriff erst im Nachhinein,
dass er tatsächlich eingeschlafen war; für wie lange, wusste er nicht.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Nein«, antwortete Andrej ehrlich. Auch wenn Meruhe diesmal
nicht seine Gedanken las, so konnte sie ihm mit Sicherheit ansehen,
wie schrecklich er sich fühlte.
»Ich weiß«, sagte Meruhe. »Vielleicht kann ich dir helfen. Gedulde
dich noch einen Moment. Dein Freund baut gerade das Zelt auf. Ich
schaue mich nur noch einmal rasch um, und dann komme ich zu dir.«
Andrej nickte nur müde.
Meruhe ging, und anscheinend schlief er auf der Stelle wieder ein,
denn als er die Augen das nächste Mal wieder aufschlug, stand ein
kleines Zelt aus schwarzem Stoff neben ihm, und die Sonne war ein
gutes Stück weitergewandert und berührte nun den Horizont. Andrej
hatte das Gefühl, dass es trotzdem noch heißer geworden war. Abu
Dun hockte neben ihm und machte ein ungeduldiges Gesicht.
»Euer Lager ist bereit, Sahib«, sagte er. »Wenn es Euch beliebt, so
könnt Ihr Euch jetzt zur Nachtruhe begeben.«
Andrej fand das nicht komisch. Er schwieg, versuchte aber, an Abu
Dun vorbei ein Blick auf das Zelt zu werfen. Er hatte das Gefühl, das
sich etwas darin bewegte.
»Deine neue Freundin wartet bereits auf dich.« Abu Dun hatte seinen Blick richtig gedeutet. »Du solltest dich besser beeilen. Ein Edelmann lässt eine Dame nicht unnötig warten.«
»Was soll das?«, seufzte Andrej. »Wenn du mir etwas sagen willst,
dann sprich nicht in Rätseln.«
»Pffft«, machte Abu Dun und stand auf. »Lasst euch nur von nichts
abhalten, wonach euch vielleicht zumute ist«, rief er noch. »Ich suche mir irgendwo in der Nähe ein gemütliches Plätzchen für die
Nacht. Ich will das junge Glück ja schließlich nicht stören.«
Andrej sah ihm einen Atemzug lang verstört nach, dann wischte
Zorn das Gefühl der Hilflosigkeit beiseite, die Abu Duns seltsames
Benehmen in ihm hervorgerufen hatte.
Schließlich stemmte er sich ächzend hoch. Diese Bewegung kostete
ihn solche Mühe, als hätte ihm jemand unsichtbare Bleigewichte an
seine Glieder gebunden, doch trotzdem raffte er sich auf und ging die
paar Schritte bis zum Zelt, wo er sich abermals in die Hocke sinken
ließ.
Genau wie Abu Dun gesagt hatte, befand sich Meruhe im Zelt. Sie
krabbelte auf Händen und Knien auf dem Boden herum und schien
etwas zu suchen, doch als sie Andrejs Nähe spürte, hielt sie abrupt
inne und lächelte ihm zu. »Komm, streck dich schon mal auf deinem
Lager aus. Ich bin gleich so weit, und dann will ich sehen, was ich
für dich tun kann.«
»Da würden mir eine ganze Menge Dinge einfallen«, antwortete
Andrej mit einem schiefen Grinsen. Er kroch rasch zu dem Lager,
das Meruhe vorbereitet hatte, und rollte sich mit einem erschöpften
Seufzen auf den Rücken. Meruhe drohte ihm spielerisch mit dem
Finger, und Andrej hoffte insgeheim, dass sie nicht etwa auf die Idee
kam, ihn beim Wort zu nehmen. Er hatte absolut nicht mehr die
Kraft, irgendetwas mit ihr anzufangen, was über bloßes Reden hinausging.
Meruhe hantierte noch eine Weile irgendwo hinter ihm herum, dann
kroch sie an seine Seite, stützte den Kopf auf die unter dem Kinn
gefalteten Hände und sah eine Weile nachdenklich auf ihn herab.
»Wie fühlst du dich?«, fragte sie schließlich.
»Nicht besonders gut«, antwortete Andrej schleppend. »Schwach.«
»Dabei fehlt dir eigentlich gar nichts«, erwiderte sie. »Vielleicht
nur ein paar Erinnerungen.«
»Erinnerungen?« Andrej verstand nicht, was sie meinte.
»Wie lange ist es her, dass du das erste Mal gestorben bist?«, fragte
Meruhe, statt seine Frage zu beantworten.
»Das… weiß ich nicht genau«, gestand Andrej. »Vielleicht hundert
Jahre. Ein bisschen mehr.«
»Das ist keine sehr lange Zeit«, sagte Meruhe kopfschüttelnd. »Und
trotzdem hast du schon vergessen, wie es war, ein ganz normaler
Mensch zu sein?« Sie schüttelte sacht den

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