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Die Verführung des Mondes (German Edition)

Die Verführung des Mondes (German Edition)

Titel: Die Verführung des Mondes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Kaiser
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Wohlstand kam erst, als mein Vater schon angefangen hatte, zu studieren. Um überhaupt studieren zu können, hat er zwei Jobs gleichzeitig neben seinem Studium machen müssen. Sein Studium hat er trotzdem als Jahrgangsbester abgeschlossen. Obwohl Suzie und ich theoretisch in unglaublichen Wohlstand hineingeboren wurden, haben wir nie etwas geschenkt bekommen. Tugenden wie Fleiß, Disziplin und Bescheidenheit sind meinem Vater so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass er sie an seine Kinder erbarmungslos weitergegeben hat.“ In seiner Stimme schwingt eine Spur von Bitterkeit mit.
    „Ihr habt kein gutes Verhältnis, dein Vater und du?“
    „Mein Vater war und ist ein sehr strenger Mann. Wir haben nie etwas von ihm bekommen, was wir uns in seinen Augen nicht verdient hatten.“ Er macht eine kurze Pause, während sich seine Augenbrauen nachdenklich zusammenziehen. „Ich bin ihm heute ein Stück weit dankbar. Alles, was ich erreicht habe, habe ich mir selbst erarbeitet. Ich habe die Kanzlei nicht übernommen, weil ich der Sohn meines Vaters bin, sondern weil ich derjenige von seinen Partnern war, der am besten dafür geeignet gewesen ist. Und natürlich hat er die Studiengebühren übernommen, als ich studiert habe und hat mir genug Geld zur Verfügung gestellt, um mir ein Zimmer und die nötigsten Nahrungsmittel kaufen zu können. Ich habe dennoch immer nebenher jobben müssen. Ich habe als Gärtner gearbeitet, am Fließband, als Kinokartenverkäufer, an der Supermarktkasse. Und letztendlich habe ich es ja trotz allem noch gut gehabt. Ich meine, wie vielen Menschen bleibt die Möglichkeit zu studieren gänzlich verwehrt, weil sie es sich ganz einfach nicht leisten können? Ich konnte auf eine Elite-Uni gehen.“, er zögert wieder einen Moment, „Ich finde es gut, dass er versucht hat, uns zu vermitteln, dass man Wohlstand nicht einfach geschenkt bekommt. Dass Geld einen Wert hat und man etwas dafür tun muss. Die Maßstäbe, die er dafür an den Tag gelegt hat, waren allerdings übertrieben. Um seine Anerkennung und seine Liebe zu bekommen, mussten wir Leistung erbringen. In der Schule, beim Klavierspielen, beim Sport, einfach immer. Wenn wir nicht die Besten waren, hat er aus seiner Enttäuschung darüber keinen Hehl gemacht. Seine Kinder anzuspornen und zu fördern ist das eine, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie nur etwas wert sind, wenn sie Leistung erbringen, das ist etwas ganz anderes. Mir hat es nicht viel ausgemacht, ich war irgendwie immer wie von selbst der Klassenbeste. Natürlich musste ich fleißig und diszipliniert dafür sein, aber nicht übermäßig, es ist mir nicht schwergefallen. Aber für Suzie war es … traumatisch. Sie ist verträumt, sensibel und temperamentvoll und flatterhaft und sie trägt ihr Herz auf der Zunge. Du hast sie ja kurz gesehen. Sie hätte gerne Kunst studiert, aber mein Vater hat sie nicht gelassen. Dann hat sie es erst mit BWL und danach mit Medizin versucht, aber beide Male hat sie es abgebrochen. Zu studieren, was nicht in ihrer Natur liegt, war trotzdem schlimmer für sie, als der Zorn meines Vaters darüber, dass seine Tochter in seinen Augen eine Versagerin ist. Sie hat starke Medikamente genommen und Drogen. Nachdem mein Vater herausgefunden hat, dass sie auch ihr zweites Studium abgebrochen hat ... ich weiß bis heute nicht genau, was passiert ist. Aber er hat ihr wohl mehr als deutlich gemacht, wie enttäuscht er von ihr ist. Am nächsten Tag hat Suzie versuchst, sich umzubringen. Es war reiner Zufall, dass sie noch rechtzeitig gefunden wurde.
    Mein Vater spricht nicht darüber und Suzie tut es auch nicht, die beiden sprechen seitdem auch nicht mehr miteinander. In meinem Vater muss es trotzdem irgendetwas ausgelöst haben. Einen Monat später hat er einen Schlaganfall bekommen, mir alle Geschäfte übergeben und sich aus dem Geschäftsleben total zurückgezogen. Ich zahle Suzie seitdem einen monatlichen Betrag, von dem sie gut leben kann. Irgendwie finde ich immer, dass ihr das zusteht. “ Phillips Blick ist auf die Straße gerichtet und ich kann in seinem Gesicht keine Emotionen erkennen, obwohl ich mir sicher bin, dass es ihn nicht unberührt lässt, über seinen Vater zu erzählen.
    „Und deine Mutter?“ Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Mutter ihre Kinder nicht ein bisschen in Schutz nimmt.
    „Meine Mutter ist ein verwöhntes, reiches Mädchen. Sie war sehr gutaussehend, ist es noch, und für meinen Vater war sie ein hübsches

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