Die Verfuehrung einer Fremden
tolles Apartment auf der Upper East Side, drei Zimmer, kostet ein Schweinegeld.“ fuhr er fort. Man sah ihm an dass es ihm gefiel, über sich selbst zu sprechen. Er gestikulierte immer wieder wild mit den Händen, während seine Augen aufglänzten, besonders, wenn er über Geld sprach. Ich fand seine Selbstverliebtheit fast abstoßend, blieb aber freundlich lächelnd sitzen, während er weitere dreieinhalb Minuten über sich erzählte. Ich wußte die Zeit genau, weil ich immer wieder genervt auf meine Armbanduhr schielte.
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, was du im „Blue Moon“ machst, wenn du doch all diese schicken Nobelbars in Manhattan hast.“ bemerkte ich sarkastisch.
Ben übergang meinen Sarkasmus einfach und sah mich auf einmal bedrückt an, als hätte ich etwas Falsches gesagt. Er nahm einen weiteren Schluck seines Whiskeys.
„Ich brauchte heute etwas anderes, weit weg von meiner Welt in Manhattan. Etwas, das mich nicht an mein Leben dort erinnert.“
Mit halboffenem Mund sah er mich an, als wollte er noch mehr sagen. Doch er schwieg und starrte nun auf den Holztisch vor ihm, während ich mich fragte, ob ich überhaupt weiterfragen oder das Thema wechseln solle. Ich entschied mich für Letzteres, kannte ich diesen Mann doch kaum.
„Und, warst du vorher schon einmal in Brooklyn?“ fragte ich beiläufig. Eine dümmere Frage hätte ich kaum stellen können. Bens Dialekt war eindeutig aus New York und welcher 29jährige New Yorker war noch nie in Brooklyn gewesen? Selbst die Reichsten der Reichsten trieb es mindestens ein paar Mal in ihrem Leben nach Brooklyn, wurde doch vorallem Williamsburg das neue In-Viertel New Yorks. Ben antwortete nicht. Dann blickte er mich an, in seinen Augen machte sich wieder diese Bedrückung und Traurigkeit breit.
„Meine Verlobte hat mich heute morgen verlassen. Alles in Manhattan erinnert mich an sie. Ich habe sie heute sicherlich zwanzig Mal versucht anzurufen, aber sie geht nicht dran. Sie sagt, sie hat sich in jemand anders verliebt.“
Seine Stimme zitterte bei dem letzten Satz. Er nahm einen weiteren, großen Schluck Whiskey und klammerte sich dann an dem Glas fest, als ginge es um sein Leben. Ich seufzte innerlich. Nicht nur hatte ich meinen Serienabend für diesen selbstverliebten Schnösel verschoben, sondern benutzte dieser mich nun auch noch als Seelenklempter oder zumindest als Person, bei der er sein Leid klagen konnte. Ich winkte schnell Lizzy an der Bar zu, uns Beiden noch einen Drink zu bringen, wissend, dass Ben noch lange nicht fertig war.
In den nächsten 30 Minuten erfuhr ich, dass seine Verlobte Alicia, die ebenfalls Finanzberaterin an der Wall Street war, diesen Morgen mit ihm Schluss gemacht hatte, weil sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte, den auch Ben nicht kannte. Sie habe ihm gesagt, dass sie diesen Mann bereits seit einiger Zeit kenne und sie ihre Gefühle für ihn einfach nicht mehr verbergen könne und dass sie deshalb die Beziehung mit Ben beenden müsse. Seit über einem halben Jahr hatte Alicia mit Ben zusammen gelebt und hatte ihn dann heute morgen aus heiterem Himmel und mit gepackten Koffern verlassen. Obwohl ich Ben ziemlich unsympathisch und narzisstisch fand, tat er mir dennoch Leid, erkannte ich mich doch selbst in seiner Geschichte. Auch ich war erst vor Kurzem von der Liebe meines Lebens verlassen worden und so teilten wir, trotz aller Unterschiedlichkeit, doch ein gleiches Schicksal. Und so ließ ich ihn mir sein Herz ausschütten, während ich nun bereits an meiner vierten Rum-Cola schlürfte.
„Was ist mir dir?“ fragte er auf einmal. „Wie ist dein Freund so?“
Ich war überrascht, dass Ben nach all der Zeit, die wir nun zusammen verbracht hatten, in der er nur über sich selbst gesprochen hatte, nach meinem Leben fragte. Und gleich nach meinem nicht mehr existenten Freund. Ich zögerte und beschloß dann, ihm einfach die Wahrheit zu sagen.
„Ehrlich gesagt habe ich keinen Freund. Nicht mehr.“ Und dann erzählte ich Ben, diesem Fremden, den ich vor erst ungefähr vier Stunden das erste Mal gesehen hatte, die ganze Geschichte mit Matt. Er hörte wortlos zu, nickte ein paar Mal und saß nun nach vorne gebeugt auf dem Sofa, um mir besser zuhören zu können. Ich genoß es unerwarteterweise, einem Fremden alles erzählen zu können. Meine Freunde wußten Bescheid über die Trennung von Matt, hatten aber normalerweise nur Kommentare für mich übrig wie „Der Typ ist ein Idiot“ oder
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