Die Verfuehrung einer Fremden
vollgeheult hatte, hatte ich beschlossen, nicht einfach kampflos aufzugeben. Matt war die Liebe meines Lebens und ich hatte schon oft gehört, dass Männer sich manchmal unsicher waren, gerade wenn die Beziehung immer ernster wurde. Matt war 28 Jahre alt, vielleicht hatte er einfach nur kalte Füße. Oder war verwirrt. Was auch immer es war, ich wußte, dass ich ihn zu mir zurück holen konnte. Ich war schön, schlau und witzig und bereit, alles zu tun, um Matt zurück zu bekommen. Einen richtigen Plan hatte ich noch nicht, wußte aber, dass ich handeln musste.
Ich wusch eines der Biergläser und schielte noch immer zu dem Mann in dem zerknitterten Anzug hinüber, der nun mit einem großen Schluck sein sechstes Glas Whiskey herunterspülte. Was für ein Häufchen Elend, dachte ich, hat vielleicht nicht einmal bemerkt, dass er nicht in einer seiner Stamm-Nobelbars sitzt. In genau dem Moment sah er auf einmal auf, blickte mir direkt in die Augen, als hatte er bemerkt, dass ich ihn die ganze Zeit beobachtete. Ich erschrank und blickte schnell hinunter auf das Glas, das ich nun schon seit drei Minuten polierte. Ich spürte seinen Blick überdeutlich, er starrte noch immer zu mir herüber. Das wußte ich, ohne ihn noch einmal ansehen zu müssen.
„Was gibt’s denn da zu glotzen?“
Der Klang seiner Stimme ließ mich zusammenzucken. Mist, er hat mich tatsächlich erwischt, dachte ich. Schnell setzte ich mein professionellstes Keller-Lächeln auf.
„Was meinen Sie?“ fragte ich scheinheilig.
Der Mann lachte kurz. Mir fielen seine smaragdgrünen Augen auf, die in Kontrast zu seinem dunklen Haar standen.
„Macht es Spaß, betrunkene Gäste anzustarren und zu bemitleiden?“
Ich schämte mich ein wenig. Offensichtlich hatte der Mann genau mitgekriegt, mit was für einem Blick ich ihn angesehen hatte. Mit einem „Der arme, bemitleidenswerte Typ“-Blick. Und er hatte Recht. Obwohl ich die Art von Mensch, die er wahrscheinlich war, absolut nicht ausstehen konnte, stand es mir trotzdem nicht zu, einen Gast so abschätzend anzusehen. Ich stellte das Bierglas beiseite und kam auf ihn zu.
„Entschuldigung.“ sagte ich ehrlich. „Es war nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen oder zu belästigen. Möchten Sie noch einen Drink? Einen Whiskey auf’s Haus?“
Wieder fuhr er sich mit der Hand durch das strubbelige Haar und lächelte mich nun breit an. Sein Mund lachte, seine Augen sahen mich dennoch traurig an, irgendwie gebrochen.
„Wenn Sie auch einen trinken, warum nicht.“
Ich lächelte verlegen. „Tut mir Leid, ich bin im Dienst...“
Er unterbrach mich sofort. „Wie wär’s mit nach Ihrem Dienst?“
Er sah mich selbstsicher an, ich wusste nicht, ob er versuchte mit mir zu flirten, oder ob er einfach jemanden zum Reden brauchte. Was es auch war, er was wahrscheinlich stockbetrunken, auch wenn er nicht so wirkte, und ich kannte ihn nicht einmal.
„Tut mir Leid, ich habe einen Freund...“ log ich.
„Nur ein Drink. Keine Angst, ich bin nicht an Dating interessiert.“
Ich zögerte. Was hatte ich zu verlieren. Meine Schicht endete um 23 Uhr und danach hatte ich geplant, nach Hause zu gehen, mir ein, zwei Serien anzuschauen, bis ich dann vor dem Fernseher einschlafen würde. Mein Fernseher konnte im Grunde auch eine Stunde länger auf mich warten. Ich sah auf meine Armbanduhr. Es war 22.30 Uhr.
„Okay. Ein Drink. In einer halben Stunde bin ich fertig.“
2.
Eine halbe Stunde später saß ich gegenüber dieses fremden Mannes auf einem der dunkelbrauen Sofas in der Ecke des „Blue Moon“, ein Glas Rum-Cola vor mir auf dem Holztisch. Der Mann, der sich mir jetzt als Benjamin White vorstellte, hatte ein weiteres Glas Single-Malt-Whiskey in seiner Hand und hatte sich gemütlich im Sofa mir gegenüber zurück gelehnt.
„Sarah. Schön, dich kennenzulernen. Du siehst sicher nicht oft Leute wie mich in einer Bar wie dieser herumhängen.“
Damit hatte er absolut Recht, aber es klang unglaublich überheblich, als sähe ich ansonsten nur heruntergekommene arme Schlucker in der Bar und niemand so Tolles wie ihn. Bevor ich etwas Vorschnelles sagte, nickte ich nur lächelnd und nahm einen Schluck meines Drinks. Ich war wirklich erstaunt, wie ein Mensch sich mir bereits nach dem ersten Satz unsympathisch machen konnte. Und das war nicht einmal alles.
„Ich bin Finanzberater an der Wall Street, schon seit sechs Jahren.Ein absoluter Traumjob, viel Arbeit und eine Menge Kohle. Ich habe ein
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