Die vergessene Frau
dem Zimmer. Sie würde abwarten, bis sich Maggie beruhigt hatte, und später mit ihr reden.
Doch Franny konnte die missgünstigen Worte ihrer Schwester nicht vergessen. Sogar viel später, als sie in Seans Armen lag, gingen sie ihr ständig im Kopf herum.
»Sie muss mich wirklich hassen«, sinnierte sie.
Sean war gerade damit beschäftigt, mit seinen Lippen ihren Hals entlangzuwandern, und sah kurz auf. »Ach, vergiss sie doch. Diese vertrocknete alte Kuh.«
»Sean!« Dass Franny sich über ihre Schwester beklagte, war eine Sache, aber sie ließ es nicht zu, wenn andere – und sei es ihr Geliebter – sie kritisierten. Auch wenn Maggie sie noch so oft rasend machte, waren sie immer noch vom selben Blut, und er war ein Außenstehender.
Sean lenkte augenblicklich ein. »Hör zu, es tut mir leid. Aber uns beiden ist so wenig Zeit vergönnt, da möchte ich sie nicht damit vergeuden, über deine blöde Schwester zu reden.«
Dagegen war wenig einzuwenden. Sie hatte so selten Gelegenheit, aus dem Haus zu schleichen und ihn zu treffen. Warum sollten sie dieses Risiko eingehen, wenn sie sich dann nicht einmal vergnügten?
»Du hast wie immer recht«, gestand sie ihm zu. Und um zu zeigen, wie leid es ihr tat, legte sie den Kopf in den Nacken und küsste ihn. Sofort gab Sean ein kehliges Stöhnen von sich und zog sie auf seinen Bauch.
Seit sie das erste Mal nachts in seine Unterkunft geschlichen war, war ein Monat vergangen, und inzwischen hatten sie eine feste Routine entwickelt. Das erste Mal war nicht schön für Franny gewesen. Eigentlich war es eher unangenehm und peinlich gewesen, und die Schmerzen waren ihr bis heute im Gedächtnis. Danach hatte sie tagelang immer wieder geblutet, sodass sie sich schon gefragt hatte, ob vielleicht etwas Schlimmes passiert war; sie hatte sich sogar geschworen, so etwas nie wieder zu tun, wenn sie nur diesmal ungeschoren davonkäme. Aber nachdem alles wieder seinen normalen Gang genommen hatte, war es einfacher, ihre Ängste zu vergessen, als sich Sean zu verweigern.
Manchmal wünschte sich Franny, sie würden nicht immer nur in dem kleinen, harten Bett in seiner winzigen Hütte liegen. Es war nicht gerade der romantischste Fleck. Er hatte versprochen, dass er sie in ein Hotel in Cork mitnehmen würde, sobald er genug Geld beisammenhatte. Stundenlang hatten sie alles geplant und Lügen gesponnen, die sie ihren Eltern erzählen konnte, um zu erklären, warum sie über Nacht wegblieb. Aber wie so vieles, was Sean ihr versprochen hatte, hatte er auch das noch nicht wahr gemacht.
Jetzt drehte er Franny auf den Rücken und kniete sich zwischen ihre Beine. Erst da ging ihr auf, dass er etwas vergessen hatte.
»Warte!«, sagte sie. »Was ist mit dem …«
Er sah sie verständnislos an, und sie hoffte, er würde sie nicht zwingen, es laut auszusprechen. Sie mochte die sogenannten »Französischen Briefe« nicht besonders, die er einem Soldaten abgekauft hatte, als er in England war – »damals haben alle in der Armee welche bekommen« –, aber wenn sie verhinderten, dass sie schwanger wurde, nahm Franny sie nur zu gern in Anspruch.
»Ich habe schon wieder keinen mehr«, sagte er und sank auf die Waden zurück. Sie wandte das Gesicht ab und wünschte sich, er würde sich bedecken. Auch wenn sie noch so intim gewesen waren, konnte sie sich nicht daran gewöhnen, dass er sich so schamlos nackt zeigte.
»Könnten wir nicht … die andere Sache tun?«, fragte sie so zaghaft wie möglich. Vor ein paar Wochen waren sie schon einmal in dieser Lage gewesen. Damals hatten sie das Problem umgangen, indem Sean ihr gezeigt hatte, wie sie ihm auf andere Weise Lust bereiten konnte. Leider schien ihm das diesmal nicht zu genügen.
»Das ist nicht das Gleiche«, sagte er und kroch wieder über das Bett auf sie zu. »Ich möchte in dir sein.«
Unerbeten blitzte in ihrem Kopf das Bild ihrer ausgelaugten Mutter auf, und sie wich ängstlich zurück.
»Aber ich will kein Kind bekommen!« Sie versuchte gar nicht erst, ihr Entsetzen zu unterdrücken. Sie wusste nicht, was sie mehr fürchtete – ewig in der Hölle zu schmoren oder schwanger zu werden. Früher hatte sie ihre Monatszeit immer gefürchtet. Inzwischen war der beruhigende Fleck in ihrem Höschen ein Grund zum Feiern.
Sean lachte laut auf, und sie kam sich noch dümmer vor als zuvor. »Davor hast du solche Angst? Also, was das angeht, hast du nichts zu befürchten.« Dann begann er ihr, obwohl ihr vor Scham die Wangen brannten,
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