Die vergessene Frau
Mann.«
»Welchem Mann?« Theresa sah sie scharf an. »Diesem Sean, meinst du?«
Ihre Ältere zögerte kurz, als wollte sie etwas sagen und würde es sich im letzten Moment anders überlegen. »Ach, ich weiß von nichts. Das ist nur geraten. Vergiss, was ich gesagt habe.«
Theresa bohrte nicht weiter nach, aber während sie den süßen Hefeteig zu kneten begann, war sie in Gedanken bei Franny. Sie hatte das beklemmende Gefühl, dass sie nur zu gut wusste, was mit ihrer Jüngsten los war. Und wenn sie recht hatte, würde es ihnen allen mächtigen Ärger bringen.
»Segnen Sie mich, Vater, denn ich habe gesündigt. Meine letzte Beichte war vor einer Woche.«
Frannys Nerven waren angespannt, so wie jedes Mal, wenn sie im Beichtstuhl war. Es tat nichts zur Sache, dass der Priester hinter einem Vorhang saß und ihr Gesicht nicht sehen konnte, denn sobald sie den Mund aufmachte, wusste er genau, wen er vor sich hatte. Sie wusste nicht so recht, warum sie heute in die Kirche gekommen war. Aber nachdem sie aus dem Farmhaus geflohen war, hatte sie nicht mehr gewusst, wohin sie sollte, und die Stille der alten Steinkirche bot wenigstens einen Zufluchtsort, an dem sie in Ruhe nachdenken konnte. Dass der Priester ausgerechnet heute Nachmittag die Beichte abnahm, war Zufall, und sie hatte eindeutig genug zu beichten. Kaum hatte Franny den Beichtstuhl betreten, war ihr Mut allerdings verflogen.
»Sprich, mein Kind«, forderte der Priester sie auf.
Das Mädchen machte den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus. Was hätte Franny auch sagen sollen – dass sie Unzucht getrieben hatte, und das nicht nur einmal, sondern ständig während der vergangenen Monate, und dass ihre Sünden das zur Folge hatten, was sie am meisten gefürchtet hatte: ein Baby, ein Bankert, das nicht unter dem Sakrament der Ehe gezeugt worden war und wohl auch so geboren würde, wenn sie nicht bald etwas unternahm?
Schon seit einiger Zeit hatte Franny einen düsteren Verdacht, was ihren Zustand anging. So lange wie möglich hatte sie ihre Sorgen für sich behalten und um ein Wunder gebetet, doch als sich keines ereignen wollte, hatte sie am Vortag schließlich ihren ganzen Mut zusammengenommen und Sean alles erzählt.
»Bist du sicher?«, wollte er sofort wissen.
Diese Frage hatte sie sich selbst schon tausendmal gestellt. Manchmal hatte sie nachts im Bett die Hand auf ihren flachen Bauch gelegt und war überzeugt gewesen, dass darin unmöglich ein Kind wachsen konnte. Aber sosehr sie sich das auch einzureden versuchte, sie wusste, dass sie sich selbst belog. Vor vier Monaten hatte sie angefangen, mit Sean zu schlafen, und seit zwei Monaten hatte sie nicht mehr geblutet.
»Ja, ich bin sicher«, hatte sie leise geantwortet.
Sobald sie es laut ausgesprochen hatte, begannen die Tränen zu fließen. Bis dahin hatte sie nicht geweint – dazu war sie viel zu erschrocken gewesen. Nun gab sie allerdings ihren Ängsten nach. Weil Sean Geld brauchte, war er ihrem Vater entgegengekommen und auf der Farm geblieben, um die Ernte einzubringen, aber jetzt, wo der Winter vor der Tür stand, würde er bald weiterziehen müssen, um anderswo Arbeit zu suchen. Und davor musste sie das hier mit ihm geklärt haben.
Sean legte den Arm um sie. »Pst, wein doch nicht, mein hübsches Mädchen. Was kaputt ist, kann auch wieder geklebt werden.«
Franny ließ sich von ihm halten, während sie weinte. Er flüsterte ihr beruhigend zu, bis ihr Schluchzen allmählich verebbte.
»Ach, Sean«, seufzte sie verzweifelt und ließ den Kopf auf seine Schulter sinken. »Was sollen wir nur tun?«
Es blieb kurz still, dann sagte Sean: »Ich hätte da eine Idee.«
Franny legte den Kopf zurück und sah zu ihm auf. »Sag schon.«
»Als ich noch in London gelebt habe, habe ich von einer Frau gehört«, begann er vorsichtig. »Einer Hebamme, aber sie ist so gut wie jeder Arzt. Sie hat ein paar Mädchen geholfen, als die in einer ähnlichen Lage waren.«
Franny brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was er da sagte. Sie schob ihn von sich weg. »Wie meinst du das?«, fragte sie argwöhnisch. »Du schlägst mir doch nicht vor, es wegmachen zu lassen?«
Er breitete kapitulierend die Hände aus. Diese Geste kannte sie inzwischen nur zu gut. Anfänglich hatte ihr Seans stets sorglose Art gefallen, doch inzwischen kannte sie auch die Kehrseite der Medaille: Er übernahm nicht gern Verantwortung.
»Aber ich dachte, wir würden heiraten.« Ehe sie sichs versah, waren die Worte aus ihrem
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