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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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Geistlicher wurde ermordet und ein anderer Mann ans Kreuz geschlagen und an die Kathedralenmauer gehängt. Die Leute draußen sind unruhig. Da kann alles Mögliche passieren.«
    »Ich muss zugeben«, sagte Bingham und wischte sich über die Mundwinkel, »man sieht nicht alle Tage einen Gekreuzigten. Haben Sie ihn gesehen? Seine Zunge war ganz schwarz. Was für ein grausiger Anblick. Die Bauern sind nicht froh darüber. Und je länger sie im Regen stehen, desto wütender werden sie. Peruaner mögen keinen Regen ... weil er alles nass macht.« Bei seiner schleppenden Aussprache wurde klar, dass er angetrunken war. »Ich habe nur einmal mit Monseñor Pera gesprochen, wissen Sie. Er schien ein netter Mann zu sein. Es heißt, er wurde durch Messerstiche völlig entstellt.« Sein Blick driftete immer wieder ab, dann ballte er die Faust. »Wenigstens wurde der Mörder bestraft!«
    »Wir müssen Cusco verlassen und in die Berge gehen«, sagte Wilson.
    »Meine Frau hasst mich«, stieß Bingham unvermittelt hervor und ließ die Schultern hängen. »Wenn Sie mit Vilcabamba recht haben, wäre sie allerdings beeindruckt. Mein Schwiegervater hält mich für einen Narren, wissen Sie?«
    »Das wird bald niemand mehr von Ihnen denken«, versprach Wilson. »Ganz im Gegenteil.« Er half Bingham auf die Beine. »Sie werden als einer der größten Forscher aller Zeiten gelten. Sie werden berühmt sein.«
    »Ich bin den ganzen Weg von Santiago auf einem Esel hierher gekommen, wissen Sie?«
    »Ja.«
    »Hat mich fünf Monate gekostet – und einen Arsch voll Blasen.«
    Wilson verkniff sich ein Grinsen. »Besorgen wir uns etwas Proviant. Es ist nur ein kurzer Ritt im Vergleich zu Ihrem.«
    Wilson hielt den Nehemia-Auftrag bislang für seinen einfachsten. Er bestand lediglich darin, einen bestimmten Mann zu einer vergessenen Inka-Stadt zu bringen, die auf einem Bergkamm unterhalb des Machu-Picchu-Gipfels lag. Doch auch wenn die Angelegenheit diesmal nicht besonders kompliziert war, war es eine ziemliche Zumutung, acht Jahre in der Vergangenheit abwarten zu müssen. Er würde froh sein, wenn seine Aufgabe erledigt war und er sich zurücktransportieren konnte. Warum gerade Hiram Bingham ausgewählt worden war, war ihm nicht ganz klar, aber die Geschichte, die er studiert hatte, kannte Bingham als den Mann, der die sensationelle Entdeckung machen würde.
    In diesem Moment kam Wilson das aschgraue Gesicht von Corsell Santillana in den Sinn, und er wusste, dass noch nicht abzusehen war, welche Folgen die Kreuzigung nach sich ziehen würde.
    Bingham war wackelig auf den Beinen. »Ich werde berühmt, sagen Sie?«
    »Weltberühmt.«
    »Und wie weit ist Vilcabamba entfernt?« Bingham klemmte sich eine Flasche Whiskey unter den Arm.
    »Keine hundert Kilometer Luftlinie.«

5.
    C USCO , P ERU K ATHEDRALE O RTSZEIT : 12.05 U HR 16. J ANUAR 1908
    In seiner scharlachroten Robe schritt Bischof Francisco mit gefalteten Händen das Epistelschiff entlang. Er ging so schnell, dass der Rock sich hinter ihm blähte. Es war nichts zu hören außer seinen Ledersohlen auf dem glatten Granitboden und ab und zu dem Zischen einer Kerze, von denen Tausende in der Kathedrale brannten.
    Der Bischof hatte befohlen, das gesamte Kirchengelände einschließlich der angrenzenden El-Triunfo-Kirche und der La Sagrada Familia räumen zu lassen, damit er ungestört seine Lage überdenken konnte.
    »Was verlangst du von mir?«, rief er, und seine aufgewühlte Stimme hallte durch das hohe Rippengewölbe.
    Mit jedem Schritt kamen wunderbare Kunstwerke aus den vierzig Seitenkapellen in seinen Blick. Es gab zahlreiche Wandgemälde, ein Dutzend aufragende Kanzeln und goldglänzende Chöre, die Gott entgegenstrebten, viele ausgeschmückt mit lebensechten Bildnissen der Heiligen. Die heilige Katharina von Siena schien dem vorbeieilenden Bischof zuzulächeln, und links und rechts von ihr standen der heilige Josef und die schöne Santa Rosa de Lima.
    Linkerhand befand sich eine atemberaubende Chornische, die vollständig aus aufragenden Cusco-Zedern gefertigt war und vielfarbig und in wunderbarem 18-karätigem Blattgold erstrahlte. Dort standen sechzig geschnitzte Chorstühle von der Hand des großen Meisters Melchor Huamán. Wenn der Chor zu singen begann, stieg der Klang der unschuldigen jungen Stimmen aus der offenen Nische auf und füllte die riesige Basilika mit Engelstönen.
    Im Vorbeigehen blickte Bischof Francisco zu dem großen Gemälde mit dem heiligen Christophorus hinauf, der

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