Die Vergessenen Schriften 1: Die Legenden der Albae
als bestünden die Knochen aus Glas. Die Pein steigerte sich, er kreischte und warf sich herum, so gut es ihm möglich war.
Dann platzte sein Kopf mit einem dumpfen Geräusch. Hirnmasse und Blut spritzten, der Schädel wurde von der Stahlhand zermalmt.
Damit wich das Leben des Letzten der Oudwen …
… Genugtuung und Stolz.
Das fühlte Lrashàc thar Draigònt, als er den hässlichen Kopf des Oudwen zerpresste und dessen Hirnmasse auf dem Laub des Waldes verteilte. Es hatte sich gelohnt, die Stellung des vorgeschobenen Beobachters einzunehmen, auch wenn er lieber mit in die letzte Siedlung vorgerückt wäre, um den Willen der Srai G’dàmá, der Heiligen Kaisermutter, zu erfüllen.
Doch Lrashàc fügte sich. Nur mit strikter Disziplin konnten sie ihren Auftrag erfüllen.
Seine purpurfarbenen Augen betrachteten das, was zwischen den stahlgeschützten Fingern herausquoll: weißliche Splitter, Blut, Haarsträhnen, graue Masse, die zu nichts mehr taugte.
Achtlos schleuderte er den Kadaver zur Seite, der Oudwen flog ins Unterholz. Mochten die Tiere seine Überreste fressen, es kümmerte Lrashàc nicht. Er verspürte momentan keinen Hunger.
Er trat aus dem Waldessaum heraus und blickte zur hölzernen Stadt, in denen die Nachhut den vorbereiteten Brenntalg verteilt hatte. Seine Rüstung schuf dabei ein beinahe unhörbares Reiben; die Schmiede hatten ihr Bestes gegeben und dämpfende Lederschichten eingezogen, damit der Ganzkörperharnisch möglichst wenig Geräusch verursachte. Gelegentlich mussten auch sie rasch und so lautlos wie möglich vorgehen.
Qualmwolken stiegen bedrohlich in den dunkelblauen Abendhimmel, Lohen zuckten an den Bauten empor; sie schienen sich abzustoßen und in die Höhe schwingen wollen, um ihr Vernichtungswerk an den Wolkenfortzuführen. Alles musste ausgelöscht werden, so sah es der Befehl der Srai G’dàmá vor.
Lrashàc gab ein zufriedenes Grollen unter seinem Helm von sich, der in Form eines Dämonenkopfes geformt war.
Der Zug gegen die Oudwen stellte die Bewährungsprobe für die Krieger dar, die sich auf die letzte Stufe ihrer Ausbildung aufgeschwungen hatten. Sollte sie gelingen, und danach sah es aus, gehörten sie zu den Besten und standen in den Kriegszügen in der vordersten Reihe. Die höchste Ehre.
Sein Volk trug viele Namen, und keiner davon war schmeichelhaft.
Völkerverzehrer.
Brudervertilger.
Ausmerzer.
Am besten gefiel ihm, wie sie von ihren schlimmsten Feinden genannt wurden: Dorón Ashont – Wandelnde Türme.
Das war eine regelrechte Ehrenbezeichnung, was die Albae jedoch nicht davon abgehalten hatte, vor langer, langer Zeit einen feigen Giftanschlag auf das beste Heer seines Volkes zu verüben und damit Erfolg zu haben. Doch die Schwarzaugen wussten zu wenig über Lrashàc thar Draigònt und Seinesgleichen: Sie hatten geglaubt, damit einen tödlichen Schlag geführt zu haben.
Gravierend, das war treffender.
Beinahe vernichtend.
Aber eben nur beinahe.
Der entscheidende Stoß konnte nicht gelingen. Nicht auf diese Weise. Man musste mehr umbringen als einen verlängerten, gepanzerten Arm der Heiligen Kaisermutter und ihren Töchtern.
Er sah, wie mehr und mehr Flammen aufloderten und Funkenstürme entfachten, die aufwärts wirbelten, tanzten und erst in großer Höhe erstarben. Die hölzerne Stadt würde nicht lange widerstehen, und die verrußten, einsamen Mauern würden jeden gemahnen, sich nicht zum Ziel der Acïjn Rhârk zu machen. Das war der Name, den sie sich selbst gegeben hatten.
Durch das Inferno am Zugang zur Stadt, inzwischen hatte der Brand auch das zerstörte Tor erfasst, stapfte Rhârgann thar Draigònt. Dass er durch eine Feuerwand marschierte, störte ihn nicht. Der Schein gab seinem Dämonenfratzenvisier eine besonders starke Wirkung. Die tiefschwarze Rüstung ließ ihn noch breiter und größer wirken, die silbernen und weißlichen Intarsien sowie die Ziselierungen schienen durch die die Hitze aufzuglühen. Er hob die Hand mit der zwei Schritt langen Klingenaxt und gab damit das Zeichen, dass der Auftrag erfüllt sei.
Lrashàc grollte erneut und freute sich aus tiefstem Inneren. Das Ziel, nach dem er sich seit Beginn seines Denkens sehnte: Damit gehörten sie zu den Nro’tai, die Erste Welle, sollte es zu einem großen Kriegszug kommen!
Sein Blick richtete sich zufällig auf den ausgeweideten Barbaren, der am Straßenrand lag. Diese Rasse war vor ihnen sicher, solange sie sich nicht berufen fühlte, unbedingt in den Krieg gegen sie
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