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Die Vergessenen Schriften 1: Die Legenden der Albae

Die Vergessenen Schriften 1: Die Legenden der Albae

Titel: Die Vergessenen Schriften 1: Die Legenden der Albae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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    Ishím Voróo (Jenseitiges Land), einstiges Reich der Fflecx, 4371. Teil der Unendlichkeit (5199. Sonnenzyklus), Frühjahr
    »Noch einen Pfeil mehr, und ich hätte dieses Biest erlegt.« W’shar schlug seinem Freund Reg’sain auf die Schulter, sodass er leicht taumelte. Beide trugen leichte, hellbraune Lederkleidung, die auf der Jagd gut genug vor kratzenden Ästen und Zweigen schützte, die Bewegungsfreiheit aber nicht behinderte. »Dennoch lasse ich dir den Abschuss.« Er rückte die schweren Bögen und Köcher mit den langen Geschossen über der Schulter zurecht, die er für sie beide schleppte.
    Reg’sain trug dafür den erlegten, nackten Ishmanti-Barbaren. »Sicher. Wir beide wissen, dass du nur auf kurze Entfernung triffst.« Seine Art zu sprechen war zischelnd, die gespaltene blaue Zunge ließ auf die schlangenartige Abstammung schließen; ansonsten ähnelten sie den Barbaren, die sie jagten. Lediglich die dunkellilafarbenen Schopfhaare waren dicker, wirkten wie dünne Kordeln aus Hornplättchen.
    Sie hatten den Ishmanti einen halben Sonnenmarsch von ihrer Stadt aufgescheucht und seine Beine mit Pfeilen gespickt, bis er zusammengebrochen und verblutet war. An Ort und Stelle brachen sie ihren Fang auf, entnahmen die Gedärme und ließen den Barbaren den letzten Lebenssaft durch einen Kehlenschnitt verlieren.
    Nun befanden sie sich auf dem Rückweg in ihre junge Stadt, die sich Pt’rai nannte. Sie sehnten sich nach der Wärme der zahllosen Feuer in ihren Behausungen, denn sobald die Sonne versank, kühlte das Blut in ihnen ab und floss langsamer. Damit wurden auch W’shar und Reg’sain träger. Schon bereits jetzt war es viel zu frisch für ihr Empfinden.
    Sie gehörten dem Volk der Oudwcn an, das sich in den letzten Sonnenreisen ein großes Stück Land sicherte und seinen Einfluss gewaltsam ausweitete, nachdem sich die Welt durch den Silbernebeldämon gewandelt hatte. Niemand wollte auf dem Boden bleiben, den das Wesen mit seiner Macht vergiftete. Dabei nahmen die Oudwen keinerlei Rücksicht, weder auf Barbaren noch andere Bestien.
    Dass ihnen die Eroberungen und die Behauptung ihres Besitzes gelang, lag an einem unschlagbaren Vorteil: ihrem zahlreichen Nachwuchs.
    Sie schritten nebeneinander her und näherten sich ihrem Zuhause.
    Pt’rai war ringsum an einem kegelförmigen Hügel erbaut; um den Fuß der Erhebung zog sich eine hohe, starke Mauer. Noch bestanden die meisten Häuser aus Holz, die Gründung der Stadt lag nicht allzu lange zurück. Es dauerte, bis die Stämme gegen massive Steinquader ausgetauscht waren. Alleine die schützende Mauer bestand aus massiven Granitblöcken
    »Ich verlange die Schinken«, betonte Reg’sain und tätschelte die blutüberströmten Schenkel des Ishmanti, auf dem das Rot bereits getrocknet war.
    W’shar wollte etwas erwidern, doch seiner Aufmerksamkeit entging der erschreckende Anblick nicht: Das massive Tor in der Mauer stand nicht einfach nur offen – es war regelrecht zersprengt, als wären fünf Rammböcke auf einmal dagegen geschmettert. »Sieh doch!«
    Reg’sain wandte den Blick nach vorne, zischte einen Fluch und warf den erjagten Barbaren achtlos an den Wegesrand. »Ein Angriff! Wieso haben wir das Signalhorn nicht vernommen?«
    »Zu weit weg?«
    Sie schnallten sich die Köcher um, nahmen die Bögen zur Hand und huschten voran, auf den Eingang der Stadt zu.
    Behutsam arbeiteten sich die Oudwen durch das zerstörte Tor, stiegen über die hölzernen und metallenen Trümmer hinweg an Toten vorbei, die halb darunter begraben lagen. Doch das Ende war diesen durch eine breite Klinge gebracht worden: In den Brustkörben klafften Einstiche, das ausgetretene grünlichblaue Blut schwamm in Pfützen und Bahnen um sie herum. Der süßlich-holzige Duft schien allgegenwärtig.
    W’shar und Reg’sain tauschten einen raschen Blick. Die Wundenform kannten sie, doch wollte es keiner der beiden glauben. Die Oudwen hatten gedacht, in Sicherheit zu sein. Die Arbeit der Schwarzaugen erwies sich als nicht gründlich genug.
    »Sind sie noch da?«, zischelte Reg’sain und schien nicht weiter in die schrecklich stille Stadt vordringen zu wollen. Am Himmel zogen Aasfresser zögerlich ihre Kreise, mutigere Rabenvögel hopsten krächzend zwischen den Leichen umher und zupften am weichen Fleisch, rupften Augenlider ab und hackten mit spitzen Schnäbeln durch Haut, labten sich am Blut.
    W’shar erwiderte nichts und hielt den Bogen ansatzweise gespannt, um sofort schießen zu

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