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Die Vergessenen Schriften 1: Die Legenden der Albae

Die Vergessenen Schriften 1: Die Legenden der Albae

Titel: Die Vergessenen Schriften 1: Die Legenden der Albae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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können, sollte sich einer der gefürchteten Angreifer blicken lassen.
    Er lauschte, doch es rührte sich nichts in der Stadt.
    Dreißigtausend Oudwen hatten sich einst in Pt’rai niedergelassen, und die Brutkammern mit den Eiern versprachen binnen einer halben Sonnenreise weitere vierzigtausend. Jedoch brauchte
    W’shar die Gelege nicht zu prüfen. Er wusste, dass sie vernichtet waren. Vernichtet wie jeder und jede Oudwen – bis auf ihn und seinen Freund. Ihre Leben verdankten sie dem kleinen Jagdausflug.
    Reg’sain züngelte. »Es riecht merkwürdig hier.«
    »Das ist das Blut.«
    »Nein. Etwas anderes. Es riecht nach … Talg. Talg und eine Beimischung.« Er schlich vorwärts, die blaue Zunge zuckte zwischen den Lippen hervor. Vorsichtig bog er um die Ecke in die breite Straße, die auf den Umschlagplatz für Waren diente, dann war er aus W’shars Sicht verschwunden.
    Der Oudwen wartete angespannt darauf, dass sein Freund ihn zu sich rief oder zurückkehrte.
    Nichts dergleichen geschah.
    Die Angreifer befanden sich also noch in der Stadt, deren jegliches Leben sie getilgt hatten. Er rechnete nicht damit, Reg’sain lebend wiederzusehen; daher schob er sich langsam rückwärts, den Bogen angehoben und gespannt.
    W’shars Stiefel blieb an einem Holzstück hängen; das Trümmerteil verrutschte und verursachte einen unsäglichen Lärm.
    »Was treibst du denn?«, erklang Reg’sains Stimme, und sein Freund tauchte vor ihm auf. Er hatte den Bogen auf den Rücken gehängt, in der Rechten hielt er einen Stock, an dem eine weißlich-grüne Substanz haftete.
    »Wo warst du so lange?«, erwiderte W’shar ungehalten und züngelte. Sein Herz hatte den Schreck noch nicht verwunden und klopfte schneller. »Dachte, sie hätten dich erwischt.«
    »Nein, haben sie nicht. Sie sind gegangen, aber sie ließen etwas in Pt’rai zurück. Ich sah mich um.« Er wackelte mit dem Stock. »Hier, das ist es! Das verursacht den Geruch. Ich denke, es …«
    Etwas surrte aus dem Nichts heran.
    Reg’sains Kopf zuckte herum, doch es war zu spät. Ein radgroßes Geschoss traf zuerst den Stock, den er hochhielt, und zerteilte das Holz; dann durchschlug es den Brustkorb und warf den Oudwen augenblicklich nieder. Beinahe vollständig durchtrennt lag der Freund auf der Erde, blubbernd ergoss sich sein grünlichblaues Blut und füllte die vorhandenen Pfützen weiter.
    W’shar erkannte einen immensen Rundschild, dessen Ränder geschliffen blitzten. Er lag mit Lebenssaft besudelt einige Schritte neben dem Toten.
    Der Werfer blieb im Verborgenen und wartete. Lauerte …
    W’shar warf den Bogen sich, schleuderte den Köcher davon, der ihm beim Laufen behinderte. Der letzte Überlebende von Pt’rai wandte sich um und rannte zum Tor hinaus, um den Weg entlang in den Schutz des Waldes zu fliehen. Die Mauern seiner Stadt bedeuteten nunmehr sicheren Tod, nicht mehr größten Schutz.
    Er schlug Haken, um möglichen Geschossen ein schweres Ziel zu bieten. Weder sah er über die Schulter noch wusste er, was er nach der gelungenen Flucht tun sollte. Er war alleine, ohne den Schutz weiterer Artgenossen. Der Letzte der Oudwen.
    Mit einem Satz warf sich kopfüber ins Unterholz – als ihm ein gepanzerter Arm entgegenschnellte, die weit geöffneten, stählernen Finger eines gewaltigen Panzerhandschuhs schossen auf sein Gesicht zu.
    W’shar bekam keine Gelegenheit, seinen Fall aufzuhalten. So zischte er hilflos und riss den Mund weit auf, die Giftzähne schnellten aus den verborgenen Gaumentaschen. Vielleicht ließ sich sein Widersacher beeindrucken.
    Dann krachte er schon mit dem Antlitz gegen die Handinnenfläche. Die fünf Stahlfinger schnappten fallenartig zu, umspannten den oberen Schädel und das Gesicht; der ausgestreckte Arm hielt seinen Sprung abrupt auf.
    Dann wurde W’shar angehoben.
    Das Krachen des eigenen Schädels beim Einschlag dröhnte in seinen Ohren, Schmerzen jagten durch seinen Kopf. Das Schreien wollte dem Oudwen nicht gelingen, die Eisenhand drückte zu fest und bannte die Worte in seiner Kehle. W’shar pendelte über dem Boden, erschlafft und voller Qual.
    Ein durchdringendes, tiefes Grollen ertönte, gefolgt von einem Laut, den man nur als finsterstes Lachen deuten konnte.
    Er spürte, dass sich die schraubstockhafte Kraft auf seinen Kopf verstärkte, die Sicht trübte sich und wurde unvermittelt tiefgrün mit blauen Schlieren.
    W’shar glaubte, das laute, helle Splittern zu hören, mit dem der Gegner seinen Schädel zerquetschte,

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