Die Vergessenen Schriften 1: Die Legenden der Albae
nach vorne und packte das leichte Papier, ehe es im Schilf verschwand. Er hielt sich die Seite vor das Totenkopfvisier, betrachtete es, und seine Augen leuchteten unvermittelt blauviolett.
»Dsôn! Das ist eine Zeichnung von Dsôn!«, schrie Mrotòn begeistert. Die mächtigen Finger pressten das Blatt zusammen, dann stieß er die Faust in die Höhe. »Sammelt die Blätter ein! Jedes Einzelne will ich haben! Ich muss wissen, was der Fflecx gefunden hat.« Er sah zu Lrashàc. »Erledige ihn. Ich will nicht, dass er uns verrät.«
Die Krieger erhob sich und machten sich daran, die Seiten aufzusammeln, während Lrashàc aufsprang und mit langen Schritten die Verfolgung des Gnomwesens aufnahm. Es war keine Auszeichnung, für diese Aufgabe auserkoren worden zu sein. Vermutlich der Lohn für seine zweifelnden Gedanken.
Der Fflecx hörte ihn und blickte nach hinten. Auf dem hässlichen, warzenübersäten Gesicht entglitten die Züge jeglicher Kontrolle, Todesangst zeichnete sich ab, als er erkannte, wer ihm nachsetzte. Gnade gab es normalerweise von einem Acïjn Rhârk nicht zu erwarten. Er rannte los, warf den Rucksack von sich und erreichte eine erstaunlich hohe Geschwindigkeit.
Dennoch blieb ihm Lrashàc auf den Fersen.
Kurz bevor er ihn eingeholt hatte, warf sich der Fflecx voller Verzweiflung in einen hohlen, schwarzen Baumstamm, kroch hastig hinein und zog die Füße mit den Schnabelschuhen an. Das dünne Stimmchen kreischte grell: »Nein, nein! Lass mich! Lass mich!«
Lrashàc stellte einen Fuß vor das schmale Loch, durch das sich ein Opfer gedrängt hatte, nahm mit der Keule maß und zerschmetterte das obere Teil mit einem brachialen, waagrechten Hieb.
Das Kreischen des Fflecx schwoll an, als sich der Acïjn Rhârk über den Stamm beugte und die Augen aufleuchten ließ – und plötzlich sackte der Gnomartige stumm zusammen, die schmale Brust hob und senkte sich weiter. Er war vor Furcht ohnmächtig geworden. So machte das Töten gar keinen Spaß.
Beim Anblick des Wesen kam Lrashàc jedoch ein Gedanke. Wie viel er taugte, musste ihr Ji’Osai entschieden.
Lachend packte Lrashàc den Fflecx im Nacken und zog ihn heraus, trug ihn angewidert vor sich her und zurück zur Einheit.
Mrotòn sah kurz zum schlaffen Bündel zwischen den Stahlfingern. »Ich sagte nicht lebendig .« In seiner Hand hielt er die schmutzige Mappe, während die Krieger nach und nach die losen Blätter bei ihm ablieferten. Im Lederschutz befanden sich noch viele weitere, die nicht vom Wind davongetragen worden waren.
»Mag sein, dass die Angst ihn vor mir umbrachte.« Die Acïjn Rhârk lachten laut. Er schüttelte den Fflecx, doch der Gefangene hielt die Lider geschlossen und blieb ohne Regung. »Aber ich bin guter Dinge, dass er die Lider hebt.«
Mrotòn strich mit der Linken über die Mappe. »Wir haben einen Schatz gefunden«, rief er weithin hörbar. »Darin befinden sich Zeichnungen, die albischen Ursprungs sind und von einem Bewunderer der Stadt herrühren. Wehranlagen, Turminseln, Straßenzüge, der Beinturm, jede kleine Einzelheit ist darauf festgehalten.« Er grollte. »Einer von ihnen muss sie verloren haben. Damit gaben sie uns alles in die Hand, was wir benötigen, um ihr Reich zu schlagen. Ich muss alles sichten! Oh, ich freue mich auf jedes Geheimnis, das uns dadurch offenbart wird.«
Lrashàc bemerkte, dass das Leben in den Fflecx zurückkehrte, aber der Gefangene versuchte, sich weiterhin ohnmächtig zu stellen. Er gratulierte sich, ihn nicht umgebracht zu haben. »Ji’Osai, ich habe einen Einfall.« Er hob den Fflecx. »Er könnte in diesem Zusammenhang wichtig sein. Wichtiger als es im ersten Moment erscheint.«
Mrotòn sah ihn an, während der letzte Kämpfer zu ihnen aufschloss und sie ihre alte Formation einnahmen. Alle Blätter waren eingesammelt. »Ich höre?«
»Die Giftmischer besitzen für jede Rasse das passende Mittel, um sie zu töten, sagt man.« Lrashàc zeigte auf die Mappe. »Verbinden wir das Wissen über Dsôn mit dem Wissen des Fflecx. Verhören wir das Kerlchen. Lassen wir es ein Gift brauen, das uns gegen die Schwarzaugen einen Vorteil verschafft.«
»Um das Gift einzusetzen, müssten wir nahe genug an die Albae gelangen«, erwiderte Mrotòn gespannt. »Sie werden sich nicht zu uns ans Feuer setzen, wenn wir sie zu einem Mahl bitten.«
»Das nicht. Doch wie wäre es, wenn wir einen Gefangenen nehmen, ihn entkommen lassen und er für uns die Arbeit verrichtet, an seinem eigenen Volk? Ohne dass
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