Die vergessenen Welten 07 - Das Vermächtnis
vergebens zu verhindern, daß seine Stimme brach. »Diese Reise machst du alleine.«
* * *
Die Rückkehr nach Mithril-Halle war für die Freunde keine Zeit des Feierns. Sie konnten das, was in den unteren Tunneln geschehen war, nicht als Sieg hochhalten. Jeder der vier, Drizzt, Bruenor, Catti-brie und Regis, nahm den Verlust von Wulfgar anders wahr, denn die Beziehung des Barbaren zu jedem von ihnen war sehr verschieden gewesen - für Bruenor war er ein Sohn gewesen, für Catti-brie der Verlobte, für Drizzt ein Kamerad und für Regis ein Beschützer.
Bruenors körperliche Wunden waren sehr ernst. Der Zwergenkönig hatte ein Auge verloren und würde für den Rest seiner Tage eine zornige, rötlich-blaue Narbe tragen, die von der Stirn bis zur Kinnlinie verlief. Die körperlichen Schmerzen waren jedoch Bruenors geringste Sorge.
Viele Male erinnerte sich der derbe Zwerg in den nächsten Tagen an Vorbereitungen, die noch mit dem Priester abgesprochen werden mußten, nur um sich bewußt zu werden, daß Cobble nicht da sein würde, um ihm zu helfen, die Dinge zu regeln. Immer wieder mußte ihm erst bewußt werden, daß es in diesem Frühling keine Hochzeit in MithrilHalle geben würde.
Drizzt konnte die intensive Trauer sehen, die in dem Gesicht des Zwerges eingegraben war. Das erste Mal in all den Jahren, die er Bruenor kannte, dachte der Waldläufer, daß Bruenor alt und müde aussah. Drizzt konnte es kaum ertragen, ihn anzusehen, aber sein Herz brach vollends, wenn er Cattibrie traf.
Sie war jung und vital gewesen, voll von Leben und dem Gefühl, unsterblich zu sein. Jetzt war Catti-bries Wahrnehmung der Welt in Scherben zerfallen.
Die Freunde blieben meist für sich, während die endlosen Stunden dahinkrochen. Drizzt, Bruenor und Catti-brie sahen sich nur selten, und keiner von ihnen sah Regis.
Keiner von ihnen wußte, daß der Halbling Mithril-Halle verlassen hatte und durch den westlichen Ausgang in das Tal der Hüter gegangen war.
Regis tastete sich auf einen Felsvorsprung hinaus, der sich fünfzig Fuß über dem zerklüfteten Grund eines langen und schmalen Tales erstreckte. Er kam zu einer bewegungslosen Gestalt, die in den Fetzen eines zerrissenen Umhangs an einem Felsen hing. Der Halbling lag auf dem Kleidungsstück und klammerte sich an dem Stein fest, als der Wind an ihm zerrte. Zu seinem Erstaunen bewegte sich der Mann unter ihm ein wenig.
»Am Leben?« flüsterte der Halbling anerkennend. Entreri, dessen Körper offenkundig zerschmettert und zerrissen war, hatte länger als einen Tag hier gehangen. »Du bist noch immer am Leben?« Vorsichtig wie immer, vor allem, wenn es sich um Artemis Entreri handelte, zog Regis den juwelenbesetzten Dolch heraus und setzte seine rasiermesserscharfe Klinge an dem verbliebenen Saum des Umhangs an, so daß eine Bewegung seines Handgelenks den gefährlichen Meuchelmörder ins Leere fallen lassen würde.
Es gelang Entreri, seinen Kopf zur Seite zu drehen und schwach zu stöhnen, obgleich er nicht die Kraft fand, Worte zu formen.
»Du hast etwas, das mir gehört«, sagte Regis zu ihm.
Der Meuchelmörder drehte sich ein wenig weiter, weil er versuchte, etwas zu sehen, und Regis zuckte bei dem grotesken Anblick des zerschmetterten Gesichts des Meuchelmörders zusammen und zog sich ein wenig zurück. Seine Wangenknochen waren völlig zermalmt, und die Haut war von seinem Gesicht gefetzt worden. Mit dem Auge, das er Regis zugewandt hatte, konnte er offenkundig nicht mehr sehen.
Und Regis war sicher, daß dieser Mann, dessen Knochen gebrochen waren und den unbändige Schmerzen von vielen fürchterlichen Wunden peinigten, nicht einmal wußte, daß er nicht sehen konnte.
»Der Rubinanhänger«, sagte Regis drängender und erblickte den hypnotisierenden Edelstein an seiner Kette unter Entreri hängend.
Entreri verstand ihn anscheinend, denn seine Hand streckte sich nach dem Objekt aus, fiel aber schlaff herunter; er war zu schwach, um weiterzumachen.
Regis schüttelte den Kopf und griff nach seinem Wanderstab. Während er den Dolch fest an den Umhang hielt, reichte er mit dem Stab unter den Vorsprung und stieß Entreri an.
Der Meuchelmörder reagierte nicht.
Regis stieß ihn erneut an, viel stärker diesmal, und dann noch mehrere Male, bis er davon überzeugt war, daß der Meuchelmörder wirklich hilflos war. Während ein Lächeln sich auf seinem Gesicht ausbreitete, brachte Regis die Spitze des Wanderstabes unter die Kette, die um den Hals des Meuchelmörders lag,
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