0343 - Kampf um Lady X
Auch Dragan war geschockt. Ich sah sein Gesicht, als ich einen kurzen Blick nach links warf, bleich wie ein überbelichtetes Foto. Dann verzerrten sich seine Züge, und er tat das einzig Vernünftige in dieser Situation.
Er gab Gas!
Mit seinem angeschwollenen Fuß drückte er das Pedal nach unten. Ein Sportwagen wäre davongezischt, aber kein Wohnmobil, das schwerfällig in der Beschleunigung war.
Übertourig drehte sich der Motor. Ich kam mir vor, als würde ich alles in Zeitlupe erleben und wir überhaupt nicht von der Stelle kommen. Dragan mußte sich Luft verschaffen.
»Fahr doch, verfluchte Karre!« brüllte er und beugte sich in seinem Gurt nach vorn, als könnte er dem Wagen so noch mehr Geschwindigkeit geben.
Wir waren zu langsam – oder?
Irgendeine Baumwurzel oder ein dichtes Gestrüpp rettete mir unter Umständen das Leben.
Der von der rechten Seite des Abhangs herunterfahrende Wagen wurde für einen Moment gestoppt und gleichzeitig aus der ursprünglichen Richtung gebracht.
Wir kamen weg, bevor der andere Wagen das letzte Stück des Abhangs hinunterrollte, auf die Straße hüpfte und uns trotz allem noch erwischte. Dragan und ich vernahmen den schmetternden Klang am Heck des Wagens, hörten Marek aus dem Innern wild und anhaltend fluchen, das Wohnmobil geriet aus der Fahrtrichtung und sehr nahe an den linken Straßenrand, wo ein fast schluchtartiger Abhang in die Tiefe führte, aber durch hastiges Gegenlenken bekam Dragan das Gefährt wieder in die Spur.
Im nächsten Augenblick krachte es.
Nicht bei uns, sondern hinter uns. Es war der andere Wagen gewesen, der mit irgendeinem Hindernis kollidiert sein mußte. Uns war nichts weiter geschehen.
Für zwei Sekunden blieben wir sitzen. Beide atmeten wir tief und stoßweise.
»Mein Gott!« flüsterte Dragan nur, »mein Gott, war das ein Schreck in der Nacht.«
Da hatte er recht.
Aus dem Wagen hörten wir die Stimme des Pfählers Marek. »Ist euch etwas passiert, Freunde?«
»Nein!« rief ich, löste den Gurt und stemmte die Tür auf. Ich wollte unbedingt erfahren, wem wir diese Überraschung zu verdanken hatten. Da wir auf der Todesliste eines Vampirs standen, war ich vorsichtig geworden und zog, bevor ich mich dem Wagen näherte, meine mit Silberkugeln geladene Beretta.
Marek, der Pfähler, hatte das Wohnmobil an der Rückseite verlassen. Auch er hatte sich bewaffnet. Den Pflock hielt er in der rechten Hand. Sollte ein Feind auftauchen, würde er sofort zustoßen.
Es kam niemand.
Nur den Wagen sahen wir.
Ein geländegängiges Fahrzeug der Marke Toyota. Und sein Fahrer hatte unwahrscheinliches Glück gehabt, denn er hätte ebenso gut über die Fahrbahn hinweg den Abhang hinunterrutschen können.
Durch die Kollision mit dem Wohnmobil hatte sich der Toyota gedreht und stand dann wieder mit der Schnauze zum Abhang hin, von dem er auch in Schußfahrt gekommen war.
Wirklich Glück.
Ich hielt Marek zurück, als er die Fahrertür öffnen wollte. »Laß mal, es kann sein, daß ich schießen muß.«
»Denkst du an Bogdanowich?«
»Auch!«
Bevor ich die Tür öffnete, schaute ich in den Wagen. Die Scheibe war heil geblieben. So konnte ich die Gestalt hinter dem Lenkrad erkennen. Vor Überraschung hielt ich die Luft an. Ein Mann war es nicht, der den Wagen gelenkt hatte. Eine Frau hockte vorübergebeugt. Das lange rote Haar war ebenfalls nach vorn gefallen. Es lag wie ein Vorhang über dem Lenkrad, dessen oberen Ring die Frau mit ihrer Stirn berührte.
Sie trug ein dünnes weißes Kleid, das bis zum Boden reichte.
Meinem Geschmack nach zu urteilen, war sie ein wenig ungewöhnlich für diese Jahreszeit angezogen.
»Es ist eine Frau«, sagte ich zu Marek und wollte die Tür aufziehen. Sie klemmte etwas.
»Was – eine Frau?«
»Ja.«
Marek packte jetzt mit an. Die Fahrerseite hatte einiges mitbekommen. Auch der linke vordere Kotflügel war eingedrückt. Sogar das Rad hing schief.
Gemeinsam schafften wir es, die Tür aufzuziehen. Die Frau mußte dagegengelehnt haben, denn sie fiel uns in die Arme.
Ich fing sie rasch auf, trat zurück und ließ sie über meinen Armen liegen.
Frantisek Marek schüttelte den Kopf. »Die trägt ja nur ein Nachthemd«, sagte er. Dann suchte er sehr genau ihren Hals ab und nickte zufrieden. »Keine Bißstellen«, erklärte er.
»Demnach kein Vampir!« fügte ich hinzu, um mich noch im gleichen Moment mit meiner menschlichen Last dem Wohnmobil zuzuwenden. Ich nahm den Einstieg an der Rückseite und bettete die Frau
Weitere Kostenlose Bücher