Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande
den Oberflächenrassen ebenso ein Segen wie ein Fluch. Eine Möglichkeit und eine Fessel.
»Ich wünsche Euch einen guten Abend«, sagte er und hob die Hand an seinen auffälligen Hut.
»Es heißt, Ihr hättet einen Drachen getötet«, begann der gleiche Junge, der zuvor schon gesprochen hatte.
»Viele«, erwiderte Jarlaxle mit einem Zwinkern.
»Davon müsst Ihr uns erzählen!«, rief ein anderer.
»Ah, so viele Geschichten ...«, begann der Drow, dann ging er auf einen Tisch in der Nähe zu und schob die Jungen vor sich her.
Er warf noch einen Blick zu Entreri und Calihye und sah, dass sein Freund beide Hände um sein Glas gelegt und den Kopf gesenkt hatte. Calihye saß immer noch neben ihm, die Hand an seinem Arm, und starrte ihn an, und so angestrengt er es auch versuchte, Jarlaxle konnte ihre Miene nicht deuten.
Arrayan hatte wirklich großen Spaß. Endlich waren all ihre Schuldgefühle verschwunden. Zuvor hatte selbst der Sieg über die »lebendige« Burg der jungen Frau nicht gestattet, sich zu entspannen, denn mehrere Personen waren beim Kampf gegen das Konstrukt umgekommen – gegen etwas, das infolge ihrer Taten entstanden war, wie unbeabsichtigt sie gewesen sein mochten.
Aber zumindest in dieser einen Nacht schien das alles hinter ihr zu liegen. Die Musik, der Alkohol, der Jubel ... war es das alles vielleicht doch wert gewesen?
Neben ihr, den Kopf auf dem Tisch – er hatte sich irgendwann mühsam vom Boden erhoben –, schnarchte Olgerkhan zufrieden vor sich hin. Der liebe Olgerkhan! Er war schon ihr treuester Freund gewesen, bevor sie in die Burg gekommen waren, und nach diesem schrecklichen Erlebnis war er zu ihrem Geliebten geworden. Bald würden sie heiraten, und das war ein Tag, den Arrayan mehr als alles andere herbeisehnte. Sie hatte den kräftigen Halb-Ork ihr Leben lang gekannt, aber erst während der Krise um das Konstrukt, als sie gesehen hatte, wie Olgerkhan so viel für sie opferte, hatte sie seine Gefühle für sie wirklich verstanden – und die ihren für ihn.
Sie streckte die Hand aus und zauste sein Haar, aber er war zu betrunken, um zu reagieren. Sie hatte Olgerkhan nie zuvor betrunken gesehen, denn sie tranken sonst beide nie starken Alkohol. Arrayan selbst hatte schon vor Stunden begonnen, vorsichtiger zu werden. Sie war keine große Trinkerin, und es hatte nicht viel gebraucht, dass ihr schwindlig wurde. Erst jetzt begann ihr Kopf, wieder ein wenig klarer zu werden.
Und darüber war sie wirklich froh, als sie bemerkte, dass dieser gutaussehende und heldenhafte Barde auf sie zusteuerte und sie strahlend anlächelte. Hinter ihm entdeckte sie ihren Onkel Wingham, aber sie war immer noch zu angesäuselt, um zu registrieren, wie besorgt der alte Halb-Ork aussah.
»Mylady Arrayan«, sagte Riordan Parnell und kam näher. Er verbeugte sich mit großer Geste. »Ich fühlte mich beinahe überwältigt von der Wärme dieser Nacht. Ich möchte gerne einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft machen und würde mich geehrt fühlen, wenn Ihr Euch mir anschließen würdet.«
Eine gewisse Nervosität blitzte kurz in Arrayans Blick auf, und sie war sich der leichten Bewegung kaum bewusst, als sie zu Olgerkhan schaute.
»Oh, Mylady, ich versichere Euch, dass meine Absichten vollkommen ehrenhaft sind«, erklärte Riordan. »Eure Liebe zu Olgerkhan ist überall bekannt und bewundernswert angemessen, wenn man die Position bedenkt, die Ihr Euch beide zu Recht verdient habt. Ihr werdet das gefeiertste Paar in Palishchuk sein, vielleicht sogar in ganz Vaasa.«
»Dann helft mir, ihn zu wecken«, erwiderte Arrayan und errötete verlegen, als sie bemerkte, dass sie ein wenig schleppend sprach. Sie streckte die Hand aus, um Olgerkhan zu schütteln, aber Riordan berührte sie sanft am Handgelenk.
»Nur wir beide«, bat er. Er schaute über die Schulter zurück und lenkte damit ihren Blick zu Wingham.
Der alte Halb-Ork hatte immer noch diese ernste Miene, aber er nickte zur Antwort auf Arrayans fragenden Blick.
Da der Alkohol Arrayans Gedanken immer noch ein wenig umwölkte, fiel es dem mächtigen Riordan nicht schwer, einen Zauber über sie zu legen, als sie aus der Schänke traten. Schon eine Querstraße von der Schänke entfernt vertraute die junge Frau dem gutaussehenden Mann aus Damara vollkommen.
Und so brauchte der Barde nicht lange, um zu erfahren, was er wissen musste. Er hatte bereits von Mariabronnes Tod gehört – dass er nicht von dem untoten Drachen getötet worden war,
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