Die Vergessenen
ersten Rachemord, der komplett unter die Verantwortung des Aufräumkommandos fiel, erste Schritte zum Aufbau eines sicheren Netzes zur Informationsbeschaffung und Kommunikation unternommen hatte. Dieses Projekt dauerte nach wie vor an und genoss für sie höchste Priorität. Sie hatte sogar einige Attentate unterbunden, die dieses Netz hätten gefährden können.
Ein Mitglied des Aufräumkommandos hatte hier vor über einem Jahr einen Transponder installiert. Da das Tagreb direkt von einer Polis-KI geleitet wurde, hatte der Mann sich Jahre Zeit für die sorgfältige Infiltration genommen und sich eine Position als verlässlicher Fahrer für solche Personen erarbeitet, die planten, sich per Geländewagen in die Wildnis zu wagen. Als er schließlich die Genehmigung erhielt, auch allein mit solchenFahrzeugen auf Tour zu gehen, steuerte er eine Stelle an, wo er Jahre zuvor einen Reifen versteckt hatte, und wechselte diesen gegen einen seines Geländewagens aus. Der in der Wand des neuen Reifens steckende Transponder reagierte nur auf ein verschlüsseltes Signal und übermittelte dieses auf seismischem Wege an einen Subraumtransmitter in Greenport. Er war für einmalige Verwendung ausgelegt wie so viele weitere Apparate überall auf Masada, da der Betrieb einer solchen Technik in der Nähe von Polis-KIs einen Risikofaktor aufwies wie russisches Roulette mit einer vierschüssigen Pistole. Sobald der Transponder nach einmaliger Verwendung abschaltete, leitete er eine kleine Menge zweiwertiger Säure in die eigenen Mechanismen und zerstörte sie damit vollständig.
»Ich muss mit Edward Thracer sprechen.« Shree sprach diese Worte in Gedanken und richtete sie an den eigenen Verstärker, wobei sie auf Subvokalisierung verzichtete und einen direkten Kontakt herstellte. Und selbst das war hier gefährlich, denn da die KI Rodol ihr scharfe Aufmerksamkeit widmete, fing sie vielleicht sogar dieses Signal ab. Shree ärgerte sich außerdem, denn sie wusste mit absoluter Sicherheit, dass Thracer nicht antworten würde, musste aber diese Worte vergeuden, um die Fassade aufrechtzuerhalten.
»Edward ist tot«, antwortete die Frau.
Shree musterte das Bild, das ihr der Verstärker direkt in die Gedanken projizierte. Katarin de Lambert war Thracers Funkoffizier und hätte unter normalen Bedingungen nicht auf eine abhörsichere, nur befristet offene Verbindung wie diese reagiert. Natürlich erhielt die Frau von Shrees kein Bild.
Shree tat besorgt. »Erzähl mir, was passiert ist.«
»Wer bist du?«
Shree zögerte, verärgert über den Verstoß gegen das Protokoll. Wer verdeckt arbeitete und gezwungen war, solch eine abhörsichere Verbindung zu benutzen, musste sorgsam geschützt werden. Wer die Anrufe empfing, der hörte einfach zu und stellte bereit, was gebraucht wurde.
»Das brauchst du nicht zu wissen, und du musst dir eigentlich darüber im Klaren sein, dass du nicht fragen solltest. Erzähl mir, was mit Thracer passiert ist.«
Katarin zuckte die Achseln und wirkte sowohl verärgert als auch traurig. »Jemand hat ihn in seiner Wohnung erschossen, hat ihm ins Gesicht geschossen.«
»Irgendeine Vorstellung davon, wer?« Shree musste das fragen, denn jeder aktive Agent, der vorgeblich keine Ahnung von dem hatte, was dem Befehlshaber der Greenport-Einheit widerfuhr, hätte gefragt.
»Jede Datei und jeder Kameraspeicher in der Gegend wurde zerstört, und die Ermittlungen der Polizei in Greenport stocken. Keine DNA, keine Spuren. Die Greenport-KI kann nur Wahrscheinlichkeiten zu einigen Personen angeben, vor allem solchen, die in enger Verbindung zu ihm standen. Wir denken, dass sie kein besonderes Interesse zeigt, weil sie weiß, dass es das Aufräumkommando war.«
»Das scheint naheliegend.«
Katarin schien mit einer Entscheidung zu ringen und sagte dann: »Ich persönlich denke, dass er von einem Mitglied des Kommandos wegen Tombs umgebracht wurde.«
Shree verdaute das und fragte sich, ob es vielleicht nötig werden könnte, diese Frau zu beseitigen. »Wer?«
»Ripple-John.«
Shree war ein Stück weit erleichtert – Katarin hatte keine Ahnung. Ripple-Johns fanatischer Hass auf die Theokratie war zuzeiten nützlich gewesen, und Shree wusste vom Zwist zwischen ihm und Thracer über die Methoden. Sie wusste auch von Ripple-Johns Neigung – und billigte sie –, nützliche Personen zu beseitigen, die aufgehört hatten, nützlich zu sein, indem sie das Aufräumkommando verließen. Shree hatte ihn schon einmal als
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