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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Knie, blieb weiter im Verborgenen und wartete. Er gewöhnte sich inzwischen an das Bildergemenge und stellte fest, dass sieben Schnatterenten, die tote nicht mitgezählt, in der Nähe waren. Er konnte unmöglich vorhersehen, wie sie sich verhalten würden. Und obgleich sie die Ablenkung erzeugt hatten, die er gebraucht hatte, stellten sie jetzt eine Gefahr für ihn dar.
    » Wir brauchen eine Schnatterente«, sagte er.
    »Schnatterenten halten sich innerhalb der Barriere auf«, versetzte die Atheter-KI.
    »Schließe die Barriere hinter mir, sobald ich sie durchquert habe.«
    »Wie du möchtest.«
    Bemerkte er da wirklich den Hauch einer Verstimmung? Erinnerte sich die KI daran, dass die eigenen Erbauer sie zur Vernichtung vorgesehen hatten? Er musste gegenüber diesem Wesen sehr vorsichtig sein. Er musste dafür sorgen, dass die KI zweierlei einsah: die eigene bestehende Gefährdung und die Tatsache, dass nur Jem den Schlüssel zu ihrem Überleben in der Hand hielt, denn zweifelsohne würde sie zum Gegenstand der Sekundärfunktion des Mechanismus werden – Vernichtung der Athetertechnik –, sobald er hier eintraf. Er erklärte der KI kurz, was er plante.
    »Wir konnten das nie erkennen«, sagte sie.
    »Nein, aber Drache tat es sofort.«
    Der Geländewagen fuhr an, aber in diesem Augenblick entschloss sich die große Schnatterente, die Jem zuvor entdeckt hatte, zum Eingreifen. Sie erhob sich neben dem Fahrzeug aus dem Flötengras, riesig, pyramidenhaft, streckte ihr gewaltiges Untergliedmaß aus und senkte eine Klaue von den Ausmaßen eines Schrottplatzgreifers aufs Fahrzeugdach. Die Vorwärtsbewegung des Wagens stoppte; die Räder drehten sich weiter und schleuderten einen Sprühnebel aus Schlamm und Wurzelstockfetzen nach hinten. Jem sah, wie sich das Dach verformte, als die Schnatterente die Klaue schloss – als sie fester zupackte –, und einen Augenblick später schwebten die Räder über dem Erdboden. Die Kreatur hob das Fahrzeug vors eigene Gesicht und studierte es mit erkennbarer Neugier, drehte es um und stocherte mit einer langen schwarzen Klaue am Fahrzeugboden herum. Das sah fast so aus, als spielte ein Kind mit einemMotorspielzeug und sähe mal nach, wo die Batterien geblieben waren. Die Klaue wanderte und traf eines der rapide kreisenden Räder. Der Reifen flog in Fetzen und spritzte der Kreatur gelben Dichtungsschaum von der automatischen Reparatur direkt ins Gesicht.
    »Bohob«, sagte sie und warf das Fahrzeug weg.
    Der Geländewagen stürzte krachend aufs Dach. Die Windschutzscheibe platzte nach vorn heraus, und Stromleitungen rissen auf dem jetzt nach oben weisenden Unterboden. Die Kurzschlüsse jagten Strom durchs Chassis bis in den Erdboden, der zu qualmen begann. Jem zuckte zusammen und fragte sich, ob irgendeiner der Fahrzeuginsassen das überlebt hatte. Er wandte sich ab.
    Zeit zu verschwinden. Die übrigen Schnatterenten konzentrierten sich auf das Fahrzeug, während sich das große Monster Schaum vom gewölbten Kopf wischte wie ein glatzköpfiger und verschwitzter Mann. Jem entfernte sich, wobei er sich weder beeilte noch Verstohlenheit an den Tag legte. Er wusste genug über die Sinne von Schnatterenten und war sich darüber klar, dass sie seine Anwesenheit bemerkt hatten. Falls er rannte, trieb ihr Jagdinstinkt sie womöglich dazu, ihm nachzusetzen. Falls er sich davonzuschleichen versuchte, stimulierte derselbe Instinkt sie vielleicht zu ihrem Pirschverhalten. Im Grunde war alles jedoch eine Frage des Könnte und Vielleicht, denn für diese Kreaturen galten kaum Regeln der Logik. Obwohl sein Kopf den Verstand eines ihrer Ahnen enthielt, wusste er nicht, wie sie sich verhalten würden.
    Die Freifläche war bald außer Sicht, und Jem erreichte ein Gebiet, wo das Gras niedergedrückt worden war, und beschleunigte seine Schritte. Hinter sich hörte er Unsinnsgeplapper, das Kreischen reißenden Metalls, dann Schüsse. Ripple-John und seine Söhne hatten eine, wenn auch geringe, Überlebenschance. Falls sie den Schnatterenten entkamen, schafften sie es vielleicht zuFuß zurück in die Zivilisation. Aber selbst wenn sie einen Ort erreichten, wo das feindselige einheimische Wild sie nicht mehr angreifen konnte, würden sie nie mehr in Sicherheit sein. Sie hatten das Todeshormon freigesetzt, und sie hatten Chanter umgebracht. Man würde sie erbarmungslos jagen. Jem verbannte jeden Gedanken an sie.
    »Ich möchte, dass du Kontakt zum Gravovan herstellst, mit dem ich gekommen bin, und einen

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