Die Vergessenen
Kommunikationskanal für mich öffnest.«
»Warum?«
»Weil man an Bord dieses Fahrzeugs etwas findet, das wir brauchen, etwas, das wir dringend brauchen.«
Der Kommunikationskanal wurde hergestellt, und erneut schien sich die Prozedur nicht vom Gebrauch eines Dracocorp-Verstärkers zu unterscheiden. Jem sah, wie Leif Grant zu ihm herabblickte, und fragte sich, was der Mann wohl auf seinem Bildschirm sah.
»Ihr könnt jetzt zurückkommen«, sagte er laut und wusste dabei nicht recht, warum er das Bedürfnis hatte, so zu sprechen.
»Tombs?«, fragte Grant.
»Genau der.«
»Was ist passiert … und auf welchem Weg sprichst du gerade mit mir?«
Jem sah, wie sich im Hintergrund Shree Enkara herüberbeugte und auf den Bildschirm blickte. Sie wirkte zornig und trug ein Schmerzmittelpflaster an der Schläfe.
»Meine Entführer sind … Ungelegenheiten zum Opfer gefallen. Ich spreche via Atheter-KI mit euch, und ich bin gerade unterwegs zu ihr. Ich möchte, dass ihr zu mir stoßt.«
Grants Miene verriet sein Erschrecken, und einen Augenblick später sagte er: »Okay, wird gemacht.« Shrees Gesicht wurde härter – Gewissheit, Zielbewusstsein verriet sich darin. Natürlich. Draches hiesige Agentin, die Drachenfrau Blau, hatte Shree alsperfektes Mittel ausgesucht, um ein sehr wichtiges Objekt zur vorgesehenen Stelle zu bringen. Blau hatte so lange nach Draches Tod eine bessere Möglichkeit gefunden, den ursprünglichen Plan dieses Wesens zur Vollendung zu bringen.
»Das wäre alles«, sagte Jem, und der Kanal verblasste.
Die Barriere wirkte so durch und durch wirkungslos. Die Flöße, auf denen die aufrecht stehenden Bauteile der Bögen standen, waren bloße Münzen aus Schaumgestein von einem Meter Durchmesser und einem halben Meter Dicke. Die eigentlichen Bögen schienen nur gebogene Chromrohre vom Umfang eines menschlichen Handgelenks zu sein. Ringsherum war das Flötengras auf einer weiten Fläche niedergewalzt worden. Zur Sicherheit wechselte Jem vom Weg in einen nahen Grasbestand, der noch nicht plattgewalzt war. Durch seine jetzt bestehende Verknüpfung mit der Atheter-KI wusste er, warum hier so viel Aktivität herrschte, und erkannte die Gefahr, in der er schwebte.
Die Atheter waren in ihrem Versuch, den mythischen Garten ihrer Vergangenheit neu zu schaffen, spektakulär gescheitert, denn in den langen Jahrtausenden ihrer Zivilisation hatten sie den Blick für den Unterschied zwischen entwickelter und hergestellter Biologie verloren, sowohl in ihnen selbst als auch den Lebensformen, mit denen sie sich umgaben. In den Schädeln aller wilden Lebensformen dieses Planeten wuchs irgendeine Form des Mikrowellenempfängers und -transmitters, mit dessen Hilfe die KI die Schnatterenten gerufen hatte. Und diese wilden Lebensformen waren vom Gemurmel, das die KI im Schlaf von sich gab, häufig in die Umgebung gelockt worden.
Jem blieb am Rande der Flötengrasfläche stehen, noch zehn Meter offenen Geländes bis zur Barriere vor ihm, weitere zehn Meter dahinter. Er sah eine Heroyne die Barriere stelzenbeinig durchqueren und wartete, bis sie außer Sicht war, ehe er loslief. Er hatte gerade die Barriere erreicht, als er hinter sich etwas prasselnd aus dem Flötengras hervorkommen hörte.
»Ein bestimmtes Ziel vor Augen, Proktor?«
Jem drehte sich um. Nach der Vehemenz des Rufes hatte er erwartet, Ripple-John zu sehen, aber nein, es war der Sohn namens Blitz. Der Mann kam ruckhaften Schrittes auf ihn zu, Ripple-Johns Flakpistole fest umklammert. Er hatte viel durchgemacht: die Kleidung verdreckt und zerfetzt, Blut war über eine Gesichtshälfte verschmiert und an einem Schenkel durch den Kleidungsstoff gesickert. Er hob die Pistole, und Jem wich zurück.
»Mein Bruder ist tot«, sagte Blitz. »Mein Vater ist tot.«
»Und inwiefern trage ich die Schuld daran?«, fragte Jem.
Blitz stockte, die Pistole im Anschlag.
»Die Schnatterenten«, sagte er. »Sie … sie sind deinetwegen gekommen!«
»Und folglich?«
»Deinetwegen sind sie tot!«
»Kann man mir einen Vorwurf daraus machen, mich selbst zu schützen?«
»Theokrat!«, fauchte Blitz und eröffnete das Feuer.
Jem blieb völlig reglos, während Flakgeschosse nur wenige Zentimeter vor ihm am Hartfeld explodierten. Jeder mögliche Groll, den die Atheter-KI vielleicht ihm gegenüber empfand, wurde offenkundig von ihrem Verständnis der Lage überwogen, denn sie hatte die Hartfelder in dem Augenblick aufgebaut, als Jem die Barriere durchquerte. Er wich jetzt
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