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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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von ihm abwandten, warf sich Jem zur Seite, stieß sich mit der Schulter am Boden ab und wälzte sich unter den Geländewagen. Er blickte zurück und sah, wie die Schnatterente – ein angehender Erwachsener, noch nicht ganz zur endgültigen massigen Gestalt herangewachsen – einen Augenblick lang wie ein riesiger Bär dastand und sich dann unvermittelt mit einer wälzenden Bewegung hinhockte. Kalash wählte diesen Augenblick, um das Feuer auf die Schnatterente zu eröffnen, was ein Fehler war.
    Die Schüsse aus dem Impulsgewehr fuhren in die Brust der Kreatur und brannten tiefe schmerzhafte Wunden hinein. Nun waren die Schnatterenten vielleicht die geistlosen Nachfahren einer einst sternenumspannenden Zivilisation, aber sie verfügten nach wie vor über genug Intelligenz, um es zu merken, wenn sie verletzt wurden, und von wem.
    »Wohin zum Teufel ist er …!«, schrie Ripple-John, aber die weiteren Worte gingen im vieltonigen Schrei der Schnatterente unter.
    Jem wälzte sich auf der anderen Seite unter dem Fahrzeug hervor, richtete sich geduckt auf und warf sich ins Flötengras dahinter. Er bahnte sich einen Weg hindurch, konzentrierte sich teilweise auf das, was er tat, blickte aber ansonsten durch viele vertraute Augen. Die Schnatterente ging auf die vier Menschen los. Kalash schoss erneut und zerstörte zwei ihrer Augen.
    »Robnacker!«, rief eine weitere Stimme, und eine riesige Gestalt tauchte direkt neben Jem auf.
    Dieses Ding war voll ausgewachsen und bildete in kauernder Haltung eine wuchtige Pyramide aus Fleisch und Knochen. Jem erstarrte und blickte zur Schnatterente hinauf. Sie neigte den Kopf, um ihn zu betrachten, erschauerte wie ein Arachnophobiker beim Anblick einer Tarantel und wuchtete ihre Masse einen langen Schritt weit zurück, wo sie sich hinhockte und die Aufmerksamkeit von ihm wendete. Jem erhob sich und entfernte sich, so schnell er nur konnte.
    Inzwischen brüllte jemand. Es war Kalash, der im Griff einer großen schwarzen Klaue über dem Boden schwebte. Die erste Schnatterente hatte inzwischen jeden Sinn für Neugier verloren sowie jede Verspieltheit, die sie womöglich zuvor empfunden hatte. Sie stopfte sich ein Bein Kalashs in den Schnabel, schloss ihre Zähne, die an weiße Stechpalmenblätter erinnerten, und biss das Bein ab. Als Nächstes ertönten ein Knacken und Rauschen – der Raketenwerfer. Über seine Verbindung zur Schnatterente spürte Jem den Einschlag wie einen Krampf in der eigenen Brust. Feuer füllte das Blickfeld aus, das ihm die Augen der Kreatur boten; dann rotierte es einige Sekunden lang, ehe es bebend stoppte. Mit den eigenen Augen blickte Jem jetzt über die gerodete Fläche hinweg zu der Stelle, wo die kopflose Gestalt der Kreatur nun zu kippen begann.
    »Wo ist dieser Scheißproktor?«, rief Ripple-John. Er dachte, es wäre alles überstanden, denn mehr als eine Schnatterente am selben Ort war kein gewohnter Anblick.
    Nachdem er durch das Flötengras eine Kreisbahn zurückgelegt hatte, pirschte sich Jem, so leise er konnte, an den Rand derFreifläche und blickte hinaus. Ripple-John und seine zwei übrigen Söhne gingen zu ihrem Bruder hinüber. Einer versuchte vergeblich, einen Druckverband um zerfetztes Fleisch und einen vorstehenden Oberschenkelknochen zu legen, und der andere öffnete eine Sanitäter-Feldtasche. Ripple-John schien ihnen keine Beachtung zu schenken, während er am Geländewagen entlangging, die Flakpistole seitlich ausgestreckt. Sicherlich hörten sie es doch inzwischen?
    »Was ist das?« Einer der Söhne blickte auf.
    Ja, sie hörten es.
    »Gott helfe uns!«, sagte der andere.
    Zwei gewölbte Köpfe ragten auf der anderen Seite der Freifläche über das Gras auf und wandten sich dann einander zu.
    »Stigger stigg«, sagte einer.
    »Rombel«, bestätigte der andere.
    Ripple-John drehte sich um und sah jetzt, was auch seine Söhne sahen. »Bringt ihn in den Geländewagen, aber schnell«, sagte er mit bemühter Gelassenheit.
    Die beiden halfen ihrem Bruder auf das verbliebene Bein, aber er schien entweder bewusstlos oder medikamentös benommen, denn sie mussten ihn förmlich zum Fahrzeug schleppen. Sie trugen ihn an Bord, und Ripple-John folgte ihnen langsam im Rückwärtsgang, während sich eine weitere Schnatterente, eine kleine, auf die Freifläche drängte, zu den Überresten ihres Artgenossen tapste und daran schnupperte. Ripple-John knallte die Fahrzeugtür zu, als die Motoren des Geländewagens losjaulten.
    Jem sank vorsichtig auf die

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