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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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hat Sachen mit Ihnen angestellt, die sich sogar dem Verständnis der Polis-KIs entziehen, welche inzwischen auf diesem Planeten regieren. Deshalb wurde eine umfassende Beseitigung der Schäden nicht genehmigt.«
    »Gehen Sie einfach weiter«, verlangte er.
    Ihr fiel auf, dass er sie nicht sehr heftig vorwärtsdrängte und sich inzwischen stark auf sie lehnte. Obwohl der Rollstuhl jedes Mal, wenn er darin saß, seine Beine mit Muskeltonusprogrammen behandelte, waren diese nach wie vor schwach und wacklig. Wo blieb nur diese Scheißkriegsdrohne?
    Im an die Terrasse angrenzenden Zimmer blieb er stehen, und Sanders fand die Gelegenheit, sich zu ihm umzudrehen. Seiner Miene konnte sie kaum etwas entnehmen, aber er war inzwischen ganz still und hing mit den Augen an der Aussicht hinter dem Schimmerfeld.
    »Hier ist die Wirklichkeit«, erklärte ihm Sanders.
    »Eine Projektion«, entgegnete er abschätzig und schubste sie weiter.
    Während beide sich dem Schimmerfeld näherten, zögerte er immer wieder, und sein Blick wanderte auf die diversen Gegenstände in diesem Zimmer.
    »Ich erkenne sogar, wo die Projektion beginnt«, sagte er. »Das sollte lieber der Weg nach draußen sein, Frau, oder ich werde etwas von der Quelle Ihrer Eitelkeit verderben müssen.«
    Er drückte mit der Messerspitze etwas fester zu, und sie spürte den stechenden Schmerz eines Einschnitts. Ihr wurde klar, dass Tombs das leichte Schimmern des Schimmerfelds entdeckt hatte, diesen Effekt von Hitzebildern, der durch Luftdruckunterschiede entstand. Er schubste sie erneut, und sie stieg durch das Feld und spürte dabei das übliche leichte Zupfen am Leib. Tombs folgte ihr auf die Terrasse und geriet auf einmal ins Stolpern.
    »Ich … bekomme hier … keine Luft«, sagte er.
    Das Messer glitt abwärts und schnitt ihr die Wange auf, aber es gelang Sanders, sein Handgelenk zu packen und wegzudrücken, sich zu drehen und einen raschen Schritt von ihm weg zu tun, wobei sie eine Hand auf die Wunde drückte. Tombs stolperte vorwärts und schnitt mit dem Messer durch die Luft, einmal, zweimal, aber er wirkte dabei wie jemand, der in einem abgedunkelten Zimmer einen Gegner zu finden versuchte. Dann prallte etwas an seine Schulter und riss ihn herum, und begleitet von spastischen Mundbewegungen tastete er nach dieser Stelle und kippte dann um wie ein gefällter Baum.
    »Interessant«, fand Amistad.
    Sanders sah ruckartig hin, als die Drohne unvermittelt auftauchte und unweit von ihr auf der Terrasse hockte, den Stachel noch über den Kopf erhoben, wo er von Kügelchen einer klaren Flüssigkeit glänzte. Amistad hatte Tombs offensichtlich gestochen, ihm das Bewusstsein geraubt.
    »Was hast du benutzt?«, fragte Sanders, ging zu ihrem Handtuch, hob es auf und drückte es aufs blutende Gesicht. Die Schnittwunde war oberflächlich – nur eine Minute Arbeit für einen Autodok.
    »Es gibt keinen Namen dafür«, sagte Amistad, »aber es blockiert für den kurzen Zeitraum, den es für seine Arbeit benötigt, das Gedächtnis, genauso, wie wir es brauchen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Wir lassen dieser Sache ihren Lauf.« Die Drohne bewegte sich mit erstaunlich lautloser Grazie fort für etwas, das so schwer war, beugte sich über Tombs und nahm ihn forschend in Augenschein. »Nichts wurde erreicht, indem wir ihn hier festhielten. Wir müssen ihm ermöglichen, sich die Wirklichkeit auf die harte Tour zu erarbeiten, indem er sie erlebt, ganz direkt erlebt – wir gestatten ihm, die Wahrheit zu entdecken und dabei auch die Wahrheit über sich selbst zu erschließen.«
    »Hoffentlich«, sagte Sanders.
    Die Drohne wandte sich ihr zu und bestätigte ihre Äußerung einen Augenblick später, indem sie den Kopf neigte.
    Jem wurde erschrocken wach, mit dem Rücken auf warmen Fliesen, und versuchte die unzusammenhängenden Teile seines Verstandes wieder zusammenzusetzen. Unvermittelt erinnerte er sich daran, dass die Sicherheitsmaßnahmen hier endlich lax geworden waren: irgendwie war der Nervenblocker, der ihn am Gehen gehindert hatte, abgekoppelt worden, und die Wachleute hatten sich entfernt, waren selbstgefällig geworden, nachdem sie jemanden bewacht hatten, der in einem Rollstuhl saß. NurSanders versperrte ihm den Weg an die Oberfläche, den Weg hinaus …
    Jem blinzelte, blickte zum offenen Himmel hinauf, setzte sich auf und sah sich um. Seine Gedanken ordneten sich, und ihm wurde klar, dass er sich im Hinblick auf den Rebellenstützpunkt geirrt hatte. Sie hatten ihn

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