Die Vergessenen
die fetten Engelskäfer verspeiste, ergänzt um die erforderlichen Zusätze, mundeten sie ihm wie Nektar, und alsbald hatte er zwei gehäufte Teller voll der dicken Insekten verzehrt, ehe er die Treppe zu seiner Sammlung hinabstieg.
Mick hatte die neue Plastik schon in ihrem Inertgasbehälter untergebracht, diesen aber noch nicht in der Sammlung platziert. Mithilfe präziser Isotopendatierung hatte Chanter die dreiundzwanzig Plastiken in chronologischer Ordnung aufgestellt, die beinahe ein Jahrhundert umspannte, denn wie dieser neueste Zugang waren es nicht durchgängig Plastiken, die er kurz nach ihrer Anfertigung durch den Techniker gefunden hatte. Wenn er sie in dieser Reihenfolge studierte, erblickte er stetige Übergänge und hier und dort plötzliche Veränderungen, Spuren des Strebens nach Perfektion auf der Seite des Künstlers, derErschließung neuer Inspirationsquellen und manchmal der Abkehr davon. Der Neuzugang müsste seinen Platz gleich zu Anfang finden, und doch schien sich der Stil dieses Werks so völlig von den anderen aus dieser Periode zu unterscheiden. Chanter überlegte sich, dass vielleicht eine ausgeprägte zeitliche Lücke zwischen diesem Werk und den anderen lag – vielleicht die Folge einer künstlerischen Blockade.
Weitere Erwägung vertrieb seine Verwirrung nicht, aber andererseits war er es gewöhnt, vom Werk des Technikers verwirrt zu werden. Schließlich suchte er sich seinen Weg durch das kleine Labor, das an die Sammlung angrenzte, und führte hier die übliche Batterie von Tests mit den Proben aus der Flasche durch. Verwirrung meldete sich aufs Neue, als nur eine seiner Datierungstechniken zu funktionieren schien und außerdem abwegige Daten lieferte. Er prüfte sein System, denn er fragte sich, ob Amistad seine Computer hier beschädigt hatte, aber es schien alles zu funktionieren. Dann untersuchte er den Mineralgehalt der Knochensubstanz und erzielte auch hier wieder einige merkwürdige Ergebnisse. Auf einmal wurde er zornig, denn er hatte das Gefühl, übertölpelt worden zu sein. Das war keine Plastik seines Technikers, sondern es war aus einer Art Felsgestein gemeißelt worden!
Beinahe hätte er seine Tests an dieser Stelle hingeschmissen, aber ein Mikroscan der Oberflächenstruktur zeigte die vertrauten Merkmale, die vertraute Signatur des Technikers, nur sehr viel kleiner als sonst. Indem Chanter seine Parameter erweiterte und es mit zusätzlichen Datierungstechniken probierte, die ihm hier zur Verfügung standen, die er aber noch nicht benutzt hatte, entwickelte er allmählich eine Ahnung von dem, womit er es zu tun hatte. Diese Plastik war in jener Höhle begraben worden und wurde vermutlich erst entdeckt, als frühe Rebellen die Höhle als Versteck ausgruben. Eine statistische Analyse der Mineralienverluste, die die Knochensubstanz in der fraglichen Umgebungerlitt – der komplexe chemische Prozess der Versteinerung auf diesem Planeten – verriet ihm schließlich die Wahrheit, und sie erfüllte ihn mit Schrecken.
Seit der Techniker die Plastik angefertigt hatte, die da draußen in ihrem Behälter hockte, war ganz schön viel Zeit vergangen. Die künstlerische Lücke zwischen diesem Werk und den übrigen dreiundzwanzig hier war riesig – sie umfasste etwa eine Million Jahre.
KAPITEL VIER
Sealuroynes
Während die Erforschung der Landformen Masadas rasch fortschritt, wurde die Erforschung der Ozeane des Planeten aufgeschoben. Eine weitere Verzögerung trat ein, als erkennbar wurde, dass die Ökologie des Landes künstlich hergestellt worden war, dass Kapuzler auf Kriegsbiomechs der Atheter beruhten, die ursprünglich vielleicht natürliche Tiere des Planeten zur Basis hatten oder auch nicht oder denen vielleicht überhaupt jede evolutionäre Grundlage fehlte; dass Schnatterenten die (absichtlich) rückentwickelten Nachfahren der Atheter waren; dass die gesamte Trikonusbasis dieser Ökologie fabriziert worden ist. Allerdings hat die umfassende taxonomische Klassifikation des Meereslebens inzwischen begonnen, und mit dem Sealuroyne oder Seehundreiher wurde schon eine Merkwürdigkeit entdeckt. Diese Kreaturen ähneln den Schnatterenten darin, dass ihre Gehirne zu groß und zu vielschichtig aufgebaut sind für das Leben als Meeresraubtier. Sie legen die gleiche Neigung an den Tag, seltsame Spiele mit ihrer Beute anzustellen. Eine kurze Zeit lang spekulierten Philologen, die Laute der Sealuroynes könnten tatsächlich eine Sprache sein, aber man konnte sie nicht
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