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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Von der großen Kanzel rechts hielt früher der Bischof seine Predigten, während von der linken Kanzel einer seiner Pfarrer die Bilder steuerte, die auf der Projektionswand – derzeit hinter schweren, golddurchwirkten Vorhängen verborgen – hinter dem Altar erschienen, während er zugleich die Gemeinde scharf im Auge behielt. Der Altar selbst war eine Brückenkonsole aus einem uralten Subraum-Kolonieschiff der Ersten Diaspora, dem Schiff, das angeblich Zelda Smythe und ihre Anhänger hergebracht hatte. Auf der Konsole ragte ein gerahmtes Bild der Frau auf – eine religiöse Ikone –, umgeben von einer bizarren Ansammlung religiöser Artefakte: ein Kruzifix mit dem angenagelten Christus, eine Holzstatue Ganeshas, ein kleiner Steinbuddha, Bernstein-Betperlen und eine Schriftrolle, die angeblich aus dem Fundus am Toten Meer stammte. All das hatte, so glaubten die Frommen, Zelda Smythe gehört und ihr zur Offenbarung und ihrer Verschmelzung von Religionen verholfen, wie auch die Bibliothek hinter der linken Kanzel, zu der Werke wie der Koran und die Bibel auf echtem Papier gehörten und darüber hinaus zahlreiche weitere religiöse Schriften.
    »Wie ich sehe, hast du mit der Kunst gespielt, Ergatis«, sagte Sanders, als sie schließlich vor dem Altar stehen blieb.
    »Ich amüsiere mich gern«, erklärte eine tiefe gottähnliche Stimme. »Es handelt sich um eine speziell formatierte Familie von Nanobots, die in der Farbe selbst enthalten sind. Sie sind miteiner evolutionären Zufallskomponente ausgestattet, sodass ich selbst nicht weiß, was sie als Nächstes tun.«
    Sanders zweifelte sehr daran. Das Wesen, mit dem sie hier redete, konnte vermutlich jede Möglichkeit berechnen und verstehen und brauchte dazu nicht mehr als eine Mikrosekunde. Es entschied sich einfach, das nicht zu tun. Ergatis hatte sich unüblicherweise nicht nach dem Planeten benannt, den sie regierte, aber andererseits war sie für eine Intelligenz ihrer Art in einer etwas ungewöhnlichen Position. Sie steuerte nicht das planetare Runcible, da die hier noch immer vorhandene Gefahr von Dschainatechnik es nötig machte, das Runcible auf einem der Braemarmonde unterzubringen – auf Flint, wo einst die Werft der Theokratie ihren Standort gehabt hatte. Auch schwebte ein Fragezeichen über der Regierungsgewalt dieser KI, bestand doch die Möglichkeit, dass Masada als außerirdische Heimatwelt klassifiziert wurde, die Menschen illegal kolonisiert hatten.
    »Du bist also«, fuhr Ergatis fort, »gekommen, um deinen Protest vorzubringen und vielleicht eine Erklärung zu erhalten. Habe ich recht?«
    »Natürlich hast du recht«, sagte Sanders ungeduldig. »Du hast vermutlich schon eine Kopie von mir als Unterprogramm gefahren, ehe ich durch die Tür kam.«
    »Du bist vielleicht auf Memochip und Sicherungskopie gespeichert, Sanders, aber dein Verstand gehört dir selbst. Jedenfalls brauche ich keine Kopie von dir zu fahren, um eine solche Vorhersage zu machen. Also, bringe deine Einwände vor und stelle deine Fragen.«
    »Vor zwei Jahren hat Amistad Tombs für die Umwelt dieses Planeten adaptieren lassen, ohne die Erlaubnis des Betroffenen einzuholen. Ich habe mich dem nicht widersetzt, denn der Ausgleich bestand für mich darin, dass ich Tombs’ Kopfprothese ersetzen und sein Gesicht neu züchten konnte, und ich war außerdem sicher, dass die Drohne wusste, was sie da tat – sie hatteschließlich Blankovollmacht für Tombs’ Fall erhalten.« Sanders unterbrach sich frustriert. Wie sollte sie ihr Anliegen logisch begründen, wo es doch im Grunde auf einem Bauchgefühl beruhte?
    »Fahre fort.«
    »Amistad unternahm nichts gegen Tombs’ Überzeugung, weiterhin eine Prothese zu tragen, und mischte sich sogar ein, als ich Tombs zu überzeugen versuchte, dass sein Gesicht jetzt wieder das eigene ist. Ich wäre aus meiner Stellung im Sanatorium entlassen worden, hätte ich das Thema erneut zur Sprache gebracht.«
    »Ja, ein bedauernswerter Umstand.«
    »Amistad arbeitet mit einer vorgeblich ›geheilten‹ schwarzen KI namens Penny Royal zusammen. Ich habe einige Nachforschungen zu dieser Kreatur angestellt und erfahren, dass noch immer der Befehl gilt: ›Versuchen Sie nicht, sie festzunehmen, sondern zerstören Sie sie aus der Ferne.‹ Und doch arbeitet sie hier für die Polis.«
    »Der Befehl, den du in einer veralteten Datenbank gefunden hast, wurde inzwischen gelöscht.«
    »Menschen, die einen Mord begangen haben, werden nie amnestiert«, stellte

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