Die Verlorene Ehre der Katerina Blum
Luxusvilla.”
24.
Hier muss eine Art Rückstau vorgenommen werden, etwas, das man im Film und in der Literatur Rückblende nennt: vom Samstagmorgen, an dem das Ehepaar Blorna zerknittert und ziemlich verzweifelt aus dem Urlaub zurückkam, auf den Freitagmorgen, an dem Katharina erneut zum Verhör aufs Präsidium geholt wurde, diesmal durch Frau Pletzer und einen älteren Beamten, der nur leicht bewaffnet war, und nicht aus ihrer eigenen Wohnung wurde sie geholt, sondern aus der Wohnung der Frau Woltersheim, zu der Katharina morgens “gegen fünf Uhr, diesmal mit ihrem Auto, gefahren war. Die Beamtin machte kein Hehl daraus, dass ihr bekannt war, sie würde Katharina nicht zu Hause, sondern bei der Woltersheim finden. (Gerechterweise sollte man nicht vergessen, die Opfer und Strapazen des Ehepaars Blorna noch einmal ins Gedächtnis zu rufen: Abbruch des Urlaubs, Taxifahrt zum Flugplatz in 1. Warten im Nebel. Taxi zum Bahnhof. Zug nach Frankfurt, dann aber Umsteigen in München. Im Schlafwagen elend “geschüttelt und am frühen Morgen, soeben zu Hause angekommen, schon mit der ZEI-TUNG konfrontiert! Später – zu spät natürlich – bereute Blorna, dass er nicht statt Katharina, von der er ja durch den ZEITUNGS-Kerl wußte, dass sie vernommen wurde, Hach angerufen hatte.) Was allen, die an der zweiten Vernehmung von Katharina am Freitag teilnahmen – wiederum Moeding, die Pletzer. die Staatsanwälte Dr. Korten und Hach, die Protokollführerin Anna Lockster, die die sprachliche Sensibilität der Blum als lästig empfand und als “affig” bezeichnete -, was allen auffiel, war Kommissar Beizmennes geradezu strahlende Laune. Er betrat händereibend den Verhandlungsraum, behandelte Katharina geradezu zuvorkommend, entschuldigte sich für “gewisse Grobheiten”, die nicht seinem Amt, sondern seiner Person entsprächen, er sei nun einmal ein etwas ungeschliffener Kerl, und nahm zunächst die inzwischen erstellte Liste der beschlagnahmten Gegenstände vor; es handelte sich um:
1. Ein kleines, abgenutztes grünes Notizbuch, das ausschließlich Telefonnummern enthielt, die inzwischen überprüft worden waren und keinerlei Verfänglichkeiten ergeben hatten. Offenbar benutzte Katharina dieses Notizbuch schon seit fast zehn Jahren. Ein Schriftsachverständiger, der nach schriftlichen Spuren von Götten gesucht hatte (Götten war u. a. Bundeswehrdeserteur und hatte in einem Büro gearbeitet, also viele handschriftliche Spuren hinterlassen), hatte die Entwicklung ihrer Handschrift als geradezu schulbeispielhaft bezeichnet. Das sechzehnjährige Mädchen, das die Telefonnummer des Metzgers Gerbers notiert hatte, die Siebzehnjährige, die die Nummer des Arztes Dr. Kluthen, die Zwanzigjährige bei Dr. Fehnern – und später die Nummern und Adressen von Traiteuren, Restaurateuren, Kollegen. 2. Kontoauszüge der Sparkasse, auf denen jede Um- oder Abbuchung durch handschriftliche Randnotizen der Blum genau identifiziert waren. Einzahlungen, Abbuchungen – alles korrekt und keine der bewegten Summen verdächtig. Dasselbe traf auf ihre Buchführung zu und auf Notizen und Mitteilungen, die in einem kleinen Hefter enthalten waren, wo sie den Stand ihrer Verpflichtungen gegenüber der Firma “Haftex” gebucht hatte, von der sie ihre Eigentumswohnung in “Elegant am Strom wohnen” erworben hatte. Auch ihre Steuererklärungen, Steuerbescheide, Steuerzahlungen waren genauestens geprüft und durch einen Bilanzfachmann durchgesehen worden, der nirgendwo eine “versteckte größere Summe” hatte ausfindig machen können. Beizmenne hatte Wert darauf gelegt, ihre finanziellen Transaktionen besonders im Zeitraum der letzten zwei Jahre, die er scherzhaft als “Herrenbesuchszeit” bezeichnete, zu prüfen. Nichts. Es ergab sich immerhin, dass Katharina ihrer Mutter monatlich 150 DM überwies, dass sie das Grab ihres Vaters in Gemmelsbroich durch ein Abonnement der Firma Kolter in Kuir pflegen ließ. Ihre Möbelanschaffungen, Hausgeräte. Kleider, Unterwäsche. Benzinrechnungen, alles geprüft und nirgendwo eine Lücke entdeckt. Der Buchhaltungsfachmann hatte, als er Beizmenne die Akten zurückgab, gesagt: “Mensch, wenn die freikommt und sucht mal “ne Stelle – gib mir ‘nen Tip. So was sucht man ständig und findet es nicht,” Auch die Telefonrechnungen der Blum ergaben keine Verdachtsmomente. Offenbar hatte sie Ferngespräche kaum geführt.
Bemerkt worden war auch, dass Katharina Blum ihrem Bruder Kurt, der zur Zeit wegen
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