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Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Titel: Die Verlorene Ehre der Katerina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Einbruchdiebstahls einsaß, gelegentlich kleinere Summen zwischen 15 und 30 DM zur Aufbesserung seines Taschengeldes überwies. Kirchensteuer zahlte die Blum nicht. Sie war, wie aus ihren Finanzakten ersichtlich, schon als Neunzehnjährige im Jahre 1966 aus der kath. Kirche ausgetreten.
    3. Ein weiteres kleines Notizbuch mit verschiedenen Eintragungen, hauptsächlich rechnerischer Art, enthielt vier Rubriken: eine für den Haushalt Blorna mit Ab- und Zusammenrechnungen über Lebensmitteleinkäufe und Auslagen für Putzmittel, Reinigungsanstalten, Wäschereien. Dabei wurde festgestellt, dass Katharina die Wäsche eigenhändig bügelte.
    Die zweite für den Haushalt Hiepertz mit entsprechenden Angaben und Berechnungen.
    Eine weitere für den eigenen Haushalt der Blum, den diese offenbar mit geringen Mitteln bestritt; es fanden sich Monate, in denen sie etwa für Lebensmittel kaum 30-50 Mark ausgegeben hatte. Sie schien allerdings – Fernsehen hatte sie nicht – öfter ins Kino zu gehen und sich hin und wieder Schokolade, sogar Pralinen, zu kaufen. Die vierte Rubrik enthielt Einnahmen und Ausgaben, die mit den Extrabeschäftigungen der Blum zusammenhingen, betrafen Anschaffungs- und Reinigungskosten für Berufskleidung, anteilige Unkosten für den Volkswagen. Hier – bei den Benzinrechnungen – hakte Beizmenne mit einer Freundlichkeit, die alle überraschte, ein und fragte sie, woher die relativ hohen Benzinkosten kämen, die übrigens mit der auffallend hohen Ziffer zusammenhingen, die ihr Kilometerzähler aufweise. Man habe festgestellt, dass die Entfernung zu Blorna hin und zurück etwa 6, zu Frau Woltersheim etwa 4 km betrage, und wenn man im Durchschnitt, was großzügig berechnet sei, eine Extrabeschäftigung wöchentlich veranschlage und dafür, was ebenfalls großzügig sei, 20 km veranschlage, was umgelegt auf die Wochentage etwa 3 km ausmache, so käme man auf etwa 21-22 km täglich. Dabei sei zu bedenken, dass sie ja die Woltersheim nicht täglich besuche, aber man wolle darüber hinwegsehen. Man käme also auf etwa 8000 km jährlich, sie – Katharina Blum – habe aber, wie aus der schriftlichen Abmachung mit dem Koch Klormer ersichtlich sei, den VW vor sechs Jahren bei einem Kilometerstand von 56 000 übernommen. Rechne man nun 6x8000 hinzu, so müsse ihr Kilometerstand jetzt etwa bei 104 000-105 000 liegen, in Wirklichkeit aber betrage er fast 162 000 km. Nun sei bekannt, dass sie zwar hin und wieder ihre Mutter in Gemmelsbroich und später im Sanatorium in Kuir-Hochsackel besucht habe, wohl auch manchmal ihren Bruder im Gefängnis – aber die Entfernung Gemmelsbroich bzw. Kuir-Hochsackel betrage hin und zurück etwa 50 km und zu ihrem Bruder etwa 60 km, und wenn man nun monatlich je einen oder, großzügig, monatlich zwei Besuche rechne – und ihr Bruder sitze ja erst eineinhalb Jahre, er habe vorher bei der Mutter in Gemmelsbroich gewohnt, nun, so käme man – immer auf sechs Jahre berechnet – auf weitere 70008000 km und es blieben da noch 45000 bis 50000 km ungeklärt bzw. ungedeckt. Wo sie denn so oft hingefahren sei. Ob sie – er wolle nun wirklich nicht wieder mit groben Andeutungen kommen, aber sie müsse seine Frage verstehen – dann vielleicht jemanden oder mehrere irgendwo – und wo – getroffen habe?
    Fasziniert, auch entsetzt hörte nicht nur Katharina Blum, hörten auch alle anderen Anwesenden dieser mit sanfter Stimme von Beizmenne vorgebrachten Berechnung zu, und es scheint so, als habe die Blum, während Beizmenne ihr das alles vorrechnete, nicht einmal Arger empfunden, sondern lediglich eine mit Entsetzen und Faszination gemischte Spannung, weil sie, während er sprach, nicht etwa nach einer Erklärung für die 50 000 km suchte, sondern sich selbst darüber klar zu werden versuchte, wo und wann sie warum wohin gefahren war. Sie war schon, als sie sich zur Vernehmung hinsetzte, überraschend wenig spröde, fast “weich” gewesen, sogar ängstlich hatte sie gewirkt, hatte Tee angenommen und nicht einmal darauf bestanden, ihn selbst zu bezahlen. Und jetzt, als Beizmenne mit seinen Fragen und Berechnungen fertig war, herrschte – nach der Aussage mehrerer, fast aller anwesenden Personen – Totenstille, als ahne man, dass hier jemand auf Grund einer Feststellung, die – wären nicht die Benzinrechnungen gewesen – leicht hätte übersehen werden können, tatsächlich in ein intimes Geheimnis der Blum, deren Leben sich bisher so übersichtlich dargestellt hatte, eingedrungen

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