Die Verlorene Ehre der Katerina Blum
Alois.”
Es war gerade acht Uhr fünfzehn und fast genau die Zeit, zu der ihnen sonst Katharina das Frühstück servierte: hübsch, wie sie immer den Tisch deckte, mit Blumen und frisch gewaschenen Tüchern und Servietten, vielerlei Brot und Honig, Eiern und Kaffee und für Trude Toast und Orangenmarmelade.
Sogar Trude war fast sentimental, als sie die Kaffeemaschine, ein bisschen Knäckebrot, Honig und Butter brachte. “Es wird nie mehr so sein, nie mehr. Sie machen das Mädchen fertig. Wenn nicht die Polizei, dann die ZEITUNG, und wenn die ZEITUNG die Lust an ihr verliert, dann machens die Leute. Komm, lies das jetzt erst mal und dann erst ruf die Herrenbesucher an.” Er las: “Der ZEITUNG, stets bemüht, Sie umfassend zu informieren, ist es gelungen, weitere Aussagen zu sammeln, die den Charakter der Blum und ihre undurchsichtige Vergangenheit beleuchten. Es gelang ZEITUNGS-Reportern, die schwerkranke Mutter der Blum ausfindig zu machen. Sie beklagte sich zunächst darüber, dass ihre Tochter sie seit langer Zeit nicht mehr besucht hat. Dann, mit den unumstößlichen Fakten konfrontiert, sagte sie: “So musste es ja kommen, so musste es ja enden. Der ehemalige Ehemann, der biedere Textilarbeiter Wilhelm Brettloh, von dem die Blum wegen böswilligen Verlassens schuldig geschieden ist, gab der ZEITUNG noch bereitwilliger Auskunft. “Jetzt’, sagte er, die Tränen mühsam zurückhaltend, “weiß ich endlich, warum sie mir tritschen gegangen ist. Warum sie mich sitzengelassen hat. Das war”s also, was da lief. Nun wird mir alles klar. Unser bescheidenes Glück genügte ihr nicht. Sie wollte hoch hinaus, und wie soll schon ein redlicher, bescheidener Arbeiter je zu einem Porsche kommen. Vielleicht (fügte er weise hinzu) können Sie den Lesern der ZEI-TUNG meinen Rat übermitteln: So müssen falsche Vorstellungen von Sozialismus ja enden. Ich frage Sie und Ihre Leser: Wie kommt ein Dienstmädchen an solche Reichtümer? Ehrlich erworben kann sie”s ja nicht haben. Jetzt weiß ich, warum ich ihre Radikalität und Kirchenfeindlichkeit immer gefürchtet habe, und ich segne den Entschluss unseres Herrgotts, tu s keine Kinder zu schenken. Und wenn ich dann noch erfahre, dass ihr die Zärtlichkeiten eines Mörders und Räubers lieber waren als meine unkomplizierte Zuneigung, dann ist auch dieses Kapitel geklärt. Und dennoch möchte ich ihr zurufen: Meine kleine Katharina, wärst du doch bei mir geblieben. Auch wir hätten es im Laufe der Jahre zu Eigentum und einem Kleinwagen gebracht, einen Porsche hätte ich dir wohl nie bieten können, nur ein bescheidenes Glück, wie es ein redlicher Arbeitsmann zu bieten hat, der der Gewerkschaft misstraut. Ach, Katharina.”
Unter der Überschrift “Rentnerehepaar ist entsetzt, aber nicht überrascht” fand Blorna noch auf der letzten Seite eine rot angestrichene Spalte:
Der pensionierte Studiendirektor Dr. Berthold Hiepertz und Frau Erna Hiepertz zeigten sich entsetzt über die Aktivitäten der Blum, aber nicht “sonderlich überrascht”. In Lemgo, wo eine Mitarbeiterin der ZEITUNG sie bei ihrer verheirateten Tochter, die dort ein Sanatorium leitet, aufsuchte, äußerte der Altphilologe und Historiker Hiepertz, bei dem die Blum seit 3 Jahren arbeitet: “Eine in jeder Beziehung radikale Person, die uns geschickt getäuscht hat.”
(Hiepertz, mit dem Blorna später telefonierte, schwor, folgendes gesagt zu haben: “Wenn Katharina radikal ist, dann ist sie radikal hilfsbereit, planvoll und intelligent ich müsste mich schon sehr in ihr getäuscht haben, und ich habe eine vierzigjährige Erfahrung als Pädagoge hinter mir und habe mich selten getäuscht.”)
Fortsetzung von Seite 1:
“Der völlig gebrochene ehemalige Ehemann der Blum, den die ZEITUNG anlässlich einer Probe des Trommler-und-Pfeifer-Korps Gemmelsbroich aufsuchte, wandte sich ab, um seine Tränen zu verbergen. Auch die übrigen Vereinsmitglieder wandten sich, wie Altbauer Meffels es ausdrückte, mit Grausen von Katharina ab, die immer so seltsam gewesen sei und immer so prüde getan habe. Die harmlosen Karnevalsfreuden eines redlichen Arbeiters jedenfalls dürften getrübt sein.” Schließlich ein Foto von Blorna und Trude, im Garten am Swimmingpool. Unterschrift: “Welche Rolle spielt die Frau, die einmal als die “rote Trude” bekannt war, und ihr Mann, der sich gelegentlich als “links” bezeichnet. Hochbezahlter Industrieanwalt Dr. Blorna mit Frau Trude vor dem Swimming-Pool der
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