Die Verlorene Kolonie
war.
Selbstverständlich hatte er vorher über mögliche Folgen einer interdimensionalen Reise nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass das Original eventuell leiden könnte, wie bei einem Computerprogramm, das zu oft kopiert wurde. Es war denkbar, dass Daten im Äther verloren gingen.
Soweit Artemis es beurteilen konnte, war nichts verloren gegangen, nur war jetzt der Zeigefinger an seiner linken Hand länger als der Mittelfinger. Oder genauer gesagt, der Zeigefinger und der Mittelfinger hatten die Plätze getauscht.
Versuchsweise krümmte er die Finger.
»Hmm«, bemerkte Artemis Fowl. »Ich bin einzigartig.«
Butler schnaubte. »Wem sagen Sie das.«
Kapitel 2
Doodah Day
Haven City, Erdland.
Holly Shorts Karriere als unterirdische Privatdetektivin entwickelte sich nicht wie geplant. Das lag vor allem daran, dass Erdlands beliebteste Fernsehshow in den letzten Monaten gleich zwei Sondersendungen über sie gebracht hatte. Es war nicht einfach, als verdeckte Ermittlerin zu arbeiten, wenn das eigene Gesicht dank der zahllosen Wiederholungen ständig über den Bildschirm flimmerte.
»Wie wär's mit 'ner Gesichtsoperation?«, fragte eine Stimme in ihrem Kopf.
Diese Stimme war nicht das erste Anzeichen beginnenden Wahnsinns, sondern sie gehörte ihrem Partner, Mulch Diggums, und sie drang aus ihrem Ohrlautsprecher.
»Was?«, sagte sie in das winzige hautfarbene Mikro an ihrem Hals.
»Ich habe gerade ein Poster mit Ihrem Konterfei vor der Nase, und da kam mir der Gedanke, dass eine Gesichts-OP keine schlechte Idee wäre, wenn wir im Geschäft bleiben wollen. Und ich meine das richtige Geschäft, nicht diese Jagd nach Kopfgeld. Kopfgeldjäger sind das Allerletzte.«
Holly seufzte. Der Zwerg hatte recht. Selbst Verbrecher waren höher angesehen als Kopfgeldjäger.
»Ein paar Implantate und eine neue Nase, und selbst Ihre besten Freunde würden Sie nicht wiedererkennen«, fuhr Mulch Diggums fort. »Sie sind ja ohnehin nicht gerade 'ne Schönheitskönigin.«
»Kommt nicht infrage.« Holly mochte ihr Gesicht so, wie es war. Es erinnerte sie an das ihrer Mutter.
»Oder vielleicht Hautspray? Sie könnten es mal mit Grün versuchen und sich als Fee ausgeben.«
»Mulch, sind Sie auf Position?«, fragte Holly barsch.
»Jawoll«, antwortete der Zwerg. »Was von dem Wichtel zu sehen?«
»Nein, er hat sich noch nicht blicken lassen, aber er kann jeden Moment auftauchen, also lassen Sie das Gequatsche und halten Sie sich bereit.«
»He, wir sind jetzt Partner, nicht mehr Gauner und Polizistin. Sie haben mir gar nichts zu befehlen.«
»Halten Sie sich bereit, bitte .«
»No problemo. Mulch Diggums, der schnöde Kopfgeldjäger, kann ja jederzeit kündigen.«
Holly seufzte. Manchmal vermisste sie die Disziplin der Aufklärungseinheit bei der Zentralen Untergrund-Polizei. Wenn ein Befehl kam, wurde er befolgt. Obwohl Holly sich eingestehen musste, dass sie selbst mehr als einmal in Schwierigkeiten geraten war, weil sie einen Befehl nicht befolgt hatte. Dass sie überhaupt so lange bei der ZUP-Aufklärung geblieben war, verdankte sie nur der Tatsache, dass sie einige hochkarätige Verbrecher überführt hatte. Und ihrem Mentor, Commander Julius Root.
Holly spürte, wie sich ihr das Herz zusammenzog, als ihr zum zigsten Mal bewusst wurde, dass Julius tot war. Manchmal dachte sie stundenlang nicht daran, und dann traf es sie wie ein Schlag. Und schmerzte wie beim ersten Mal.
Sie war aus dem ZUP-Dienst ausgetreten, weil Julius' Nachfolger sie allen Ernstes beschuldigt hatte, sie habe den Commander umgebracht. Holly war zu dem Schluss gekommen, dass sie bei einem solchen Boss dem Erdvolk eher dienlich sein konnte, wenn sie den Dienst quittierte. Doch mittlerweile sah es so aus, als hätte sie sich da mächtig geirrt. Zu ihrer Zeit als Captain der ZUP-Aufklärung hatten sie einen Kobold-Aufstand niedergeschlagen, den Plan einiger Verbrecher durchkreuzt, das Erdvolk den Oberirdischen preiszugeben, und gestohlene Elfentechnologie von einem Menschenwesen in Chicago zurückgeholt. Und jetzt - verfolgte sie einen Fischschmuggler, der aus der Untersuchungshaft geflohen war. Nicht gerade ein Fall von nationaler Tragweite.
»Wie wär's mit 'ner Schienbeinverlängerung?«, unterbrach Mulch ihren Gedankengang. »Damit wären Sie innerhalb von ein paar Stunden größer.«
Holly musste lächeln. So nervtötend ihr Partner manchmal war, er schaffte es immer wieder, sie aufzuheitern. Außerdem waren die
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