Die Vermessung der Lust (German Edition)
Studierenden untergetaucht war. Dora oder Madeleine. Wenn er die Wahl hätte...
Seine erste Frau war um einiges älter gewesen als er. Bärbel, eine Kollegin seines Vaters, vierzig und fröhlich, die Stimmungskanone bei der Grillparty zu Daddys Fünfzigsten. Die hatte ihn den ganzen Abend über wohlgefällig betrachtet, das konnte ihm nicht entgehen, es beunruhigte ihn, entzündete sein Phantasie. Die Phantasie einer sechzehnjährigen männlichen Jungfrau, seine Hand auf ihren Knien, die langsame Wanderung dieser Hand unter den Rockstoff, die Erkenntnis, er habe zwei Hände, wovon die andere, nicht beschäftigte, sich jetzt um eine der beiden wunderbaren Wölbungen legen musste. Bärbel trug keinen BH, das hatte er sofort erkannt.
Und dann war es passiert. Lars hatte sich auf sein Zimmer zurückgezogen, Musik hören und dabei... naja. Dann war auf einmal die Tür aufgegangen, er hatte sie der lauten Musik wegen nicht kommen hören, sah jetzt ihre Umrisse vor dem Licht im Flur.
»Oh... das hier ist aber nicht das Badezimmer.« Nein, war es offensichtlich nicht. Sie kam trotzdem näher. Fixierte ihn. Er musste ein lächerlicher Anblick gewesen sein, ein Junge mit heruntergelassenen Shorts, auf dem Bett liegend, die Rechte noch immer am geschwollenen Corpus Delicti, der Kopf puterrot, mit Gedanken, die ihn durchrasten. Sie stand jetzt direkt vor ihm, setzte sich aufs Bett, lächelte, betrachtete interessiert seine Männlichkeit. »Soll ich dir helfen?« Lars war zu gut erzogen, um dieses Angebot abzulehnen.
Aber daran dachte er jetzt nur kurz. Er spazierte zum Parkplatz, setzte sich in seinen Wagen und fuhr los. Kopfkino. Die Bilder in seinem Kopf hatten sich verselbständigt, Madeleine Vulpius, die langsam auf ihn zukam, lächelte, ihn betrachtete. Er war natürlich nackt. Wo? Die Couch in ihrem Büro, das unbequeme Ding, auf dem man kaum sitzen, geschweige denn liegen konnte. »Soll ich dir helfen?« Sie beugte sich zu ihm, ging auf die Knie... nein. Sie würde ihn niemals duzen, sie duzte niemanden, wahrscheinlich nicht einmal ihren Mann daheim, diesen Greis von siebzig.
Filmriss. Beinahe hätte er eine rote Ampel überfahren.
*
»Na, Frau Kollegin? Geht es wacker voran?«
Schiffler. Dieser Idiot. Markenzeichen: weiße Fliege auf blauem Hemd und immer ein paar hörige Studentinnen im Schlepptau, die ihm auch die Tasche getragen hätten, wie früher in der Schule ihrer Lieblingslehrerin.
»Danke der Nachfrage, Herr Kollege, ich bin zufrieden.« Jetzt musste sie lächeln, das gehörte sich so. Warum hatte ihr Schiffler auch unbedingt hier im Vestibül über den Weg laufen müssen? Sonst nahm sie den Hinterausgang. Aber heute stand ihr Wagen auf dem öffentlichen Parkplatz, sie musste durchs Vestibül.
Schiffler lächelte gnadenlos zurück. Ein Mann, der Ratten die Hirne punktierte, um zu messen, wie sie auf den Geruch diverser Parfüms reagierten. Regte es ihren Appetit an? Ihre Geschlechtslust? Oder beides oder nichts von beidem? Ekelhaft.
Schiffler intrigierte gegen sie, das war ihr klar. Professorinnen waren ihm ein Graus, zumal dann, wenn sie seine Avancen ignoriert hatten. Ein geckenhafter Mittfünfziger, der gerne in Harvard, Oxford oder sonstwo an einer berühmten Uni lehren würde, eigentlich noch schlank, doch mit den Jahren durch ein Bierbäuchlein verunstaltet, über dem die blauen Hemden immer deutlicher spannten. Sie waren Konkurrenten. Sie stritten sich um die immer knapper werdenden Forschungsmittel, kämpften um Sponsoren, denn eigentlich hatten sie das gleiche Ziel: irgendein Ergebnis, mit dem man der anarchischen Lust Herr werden konnte, eine Formel für das Glück zwischen den Beinen.
*
Dumme, frigide Nuss, dachte Schiffler und durchquerte das Vestibül. Wie sie ihn hatte abfahren lassen, schon wieder. Mit der im Bett zu liegen, das war wohl so aufregend wie eine Gameshow auf RTL 2 oder... ah, Simone! Sie wartete schon vor der Tür, hübsches Kleid hatte sie an. Die kleine verhuschte Simone, süße zweiundzwanzig und, so hoffte Schiffler, immer noch unberührt. Ein Mädchen, das schon rot wurde, wenn es in der Mensa Pfifferlinge gab, die wie Penisse aussahen. Es würde ihm mehr Spaß machen, diesen ungeschliffenen Diamanten zum Strahlen zu bringen als eine längst verblichene, vielleicht nie zum Strahlen gebrachte ältliche Eisblöckin wie die Vulpius. Das Wort Eisblöckin gefiel ihm, er grinste.
Simone errötete, als er durch die Tür auf sie zu trat. Sie gaben sich die Hand, ganz
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