Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Über die Schönheit einigt man sich oft erst a posteriori. Schwache Wechselwirkungen verletzen die Paritätssymmetrie. Das bedeutet, dass Teilchen, die sich linksherum drehen, anders wechselwirken als jene, die sich rechts herum drehen. Der Bruch einer solchen grundlegenden Symmetrie wie der Rechts-Links-Äquivalenz scheint zutiefst beunruhigend und unattraktiv zu sein. Doch genau diese Asymmetrie ist verantwortlich für die Bandbreite von Massen, die wir in der Welt beobachten, was wiederum für Strukturen und das Leben notwendig ist. Zuerst wurde sie als hässlich betrachtet, doch jetzt wissen wir, dass sie entscheidend ist. Obwohl sie vielleicht an sich hässlich ist, führt der Bruch der Paritätssymmetrie zu schönen Erklärungen komplizierterer Phänomene, die für alle sichtbare Materie wesentlich sind.
Schönheit ist nicht absolut. Eine Idee mag zwar für ihren Schöpfer ansprechend sein, aber sperrig oder chaotisch aus der Perspektive einer anderen Person erscheinen. Manchmal bin ich von der Schönheit einer Vermutung, auf die ich gekommen bin, ganz beeindruckt, und zwar weitgehend deshalb, weil ich alle die anderen Ideen kenne, die sich Menschen ausgedacht und die nicht funktioniert hatten. Aber besser zu sein als das, was vorher war, stellt keine Garantie für Schönheit dar. Nachdem ich eine Menge Modelle entworfen habe, die dieses Kriterium zwar erfüllten, die aber bei Kollegen, die mit dem Gegenstand meines Modells weniger vertraut waren, trotzdem auf Zweifel und Verwirrung stießen, glaube ich nun, dass es ein besseres Kriterium für eine gute Idee sein könnte, wenn selbst jemand, der sich nie mit dem Problem auseinandergesetzt hat, den Reiz des Modells erkennen kann.
Manchmal gilt aber auch das Umgekehrte – gute Ideen werden abgelehnt, weil ihre Erfinder sie hässlich finden. Max Planck glaubte nicht an Photonen, die er für eine unangenehme Vorstellung hielt, obwohl er die logische Entwicklung anstieß, die zu ihrer Mutmaßung führten. Einstein glaubte, dass das expandierende Universum, das aus seinen Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie folgte, nicht wahr sein könne, und zwar teilweise deshalb, weil es seiner ästhetischen und philosophischen Neigung widersprach. Keine dieser Ideen mag zu ihrer Zeit schön gewesen sein, aber die Gesetze der Physik und das Universum, für das sie gelten, kümmerten sich nicht wirklich darum.
Gut aussehen
Vor dem Hintergrund des sich entwickelnden und unbeständigen Charakters der Schönheit lohnt es sich, einige der Merkmale zu betrachten, durch die eine Idee oder ein Bild objektiv schön werden könnten, und zwar so, dass die Anziehungskraft universal ist. Die vielleicht grundlegendste Frage zu ästhetischen Kriterien ist, ob Menschen überhaupt universale Kriterien für das Schöne haben – und zwar in allen möglichen Zusammenhängen –, sei es in der Kunst oder in der Wissenschaft.
Noch kennt niemand die Antwort. Schließlich hat Schönheit mit Geschmack zu tun, und der Geschmack kann ein subjektives Kriterium sein. Dennoch fällt es mir schwer zu glauben, dass Menschen keine gemeinsamen ästhetischen Kriterien haben sollten. Häufig stelle ich eine frappierende Einheitlichkeit in den Ansichten der Leute darüber fest, welches Kunstwerk in einer bestimmten Ausstellung das beste ist oder auch welche Ausstellungen die Leute besuchen. Natürlich beweist das nichts, da wir alle in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort leben. Überzeugungen, die sich an Schönheit orientieren, sind nur schwer von dem spezifischen kulturellen Zusammenhang oder der Zeit zu isolieren, worin sie entstehen. Daher ist es schwierig, angeborene von erlernten Werten oder Urteilen zu unterscheiden. In manchen Extremfällen mögen die Menschen alle darin übereinstimmen, dass etwas hübsch aussieht oder als unangenehm erscheint. Und in einigen seltenen Fällen mag jedermann hinsichtlich der Schönheit einer Idee übereinstimmen. Aber selbst in diesen wenigen Fällen stimmen die Menschen auch nicht in allen Einzelheiten überein.
Dennoch scheinen einige ästhetische Kriterien universal zu sein. In jedem Kunstunterricht für Anfänger wird etwas über das Gleichgewicht gelehrt. Michelangelos David in der Accademia-Galerie in Florenz veranschaulicht dieses Prinzip. David steht anmutig da. Er würde nie umkippen oder auseinanderfallen. Menschen suchen nach Gleichgewicht und Harmonie, wo sie sie finden können. Kunst, Religion und Wissenschaft versprechen
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