Höllenbote Angela
Die schlanke Hand reichte Angela Sarti die Waffe. »Sie ist neu, Angie, nagelneu. Du verstehst?«
»Sicher.« Angela nahm die Luger an sich. Für einen Moment klebten ihre Blicke am Metall fest, was den Mann auf dem Fahrersitz etwas irritierte.
»Stört dich was?«
Ein hauchdünnes Lächeln umspielte die Lippen der Frau. »Sie riecht nach Tod.«
Der Mann lachte hart und kratzig. »Sie ist der Tod, Angie. Nein, noch besser, du bist der Tod. Du bringst ihn mit. Er ist dein unsichtbarer Begleiter. Niemand sieht ihn. Niemand ahnt etwas von ihm, und deshalb bist du auch so gut.«
»Vielleicht.«
Der Mann berührte sie mit dem linken Zeigefinger. »Du bist die Beste, die wir haben. Du wirst deine Sache so gut wie immer machen und dann verschwinden. Es ist heute nicht einmal schwer. Unser Freund sitzt allein am Tisch. In der Ecke. Dort, wo du zu den Toiletten gehen kannst. Er hockt da und grübelt. Er wartet, und er denkt, er wäre wertvoll für uns. Aber das stimmt nicht. Er ist Abfall, verstehst du? Nichts als Abfall.«
»Und Abfall beseitigt man«, sagte Angela.
»Sehr richtig.«
»Dann bin ich eine Müllfrau.« Der Mann wiegte den Kopf.
»Sagen wir, du bist die Frau für den menschlichen Müll.«
Diesmal lachte sie, und es klang auch nicht gut. »Den man irgendwann einmal beseitigt – oder?«
Angelas Kontaktmann versuchte, empört auszusehen. »Teufel, was denkst du von uns?«
»Vielleicht das richtige. Ich erledige für euch die Drecksarbeit. Würde ich es nicht tun, säße ich hinter Zuchthausmauern. Aber der Verein hat ja eine lange Hand.«
»Und du hast einen Kontrakt.«
»Ich weiß. Nur hat er mir nie gefallen. Das habe ich dir schon beim letzten Auftrag gesagt.«
»Hört sich fast so an, als wolltest du Schluß machen.«
Angela Sarti lächelte mit geschlossenen Lippen. »Alles ist möglich, mein Freund.« Sie fing den glasharten Blick der Männeraugen auf und sah das Nicken ihres Begleiters.
»Du wirst es schon schaffen. Wie immer.«
»Klar, wie immer.«
Es waren ihre letzten Worte, bevor sie die Wagentür öffnete und hinaustrat in den kalten Wintermorgen. Eine Frau, die eine schwarze Lederjacke trug, einen dunklen Schal, eine braune Hose und eine dunkle Brille. Rötlich-schwarzes Haar wehte im Morgenwind. Der Gang der langen Beine war federnd, und Angela drehte sich nicht einmal um.
Ein Fehler, denn hätte sie es getan, dann hätte sie möglicherweise gesehen, wie der Mann im Wagen telefonierte und sein Gesicht dabei einen zufriedenen Ausdruck zeigte.
Angela überquerte einen mit Bäumen bewachsenen Straßen feiler, ließ zwei Autos passieren und schritt auf das Haus mit der grauen Fassade zu. Die untere Front wurde von einem kleinen Lokal eingenommen, eben einem Bistro.
Sie konnte schlecht hineinschauen, denn das Sonnenlicht spiegelte sich in der Fensterscheibe. Aber ihr Informant hatte nicht gelogen. Es saß nur ein Gast im Lokal. Der Mann hinter der Theke blätterte in einer Zeitung. Er schaute hoch, als Angela die Tür aufdrückte und kühlere Luft in den mit Kaffeeduft geschwängerten Raum mitbrachte. Sie erfaßte alles mit einem Blick. Es gab nur wenige Tische. Vier insgesamt. Zwölf Stühle zählte sie an den runden Tischen. An der Theke standen auch noch drei, und der Wirt erhob sich kurz, um nach Angelas Wünschen zu fragen.
»Espresso«, sagte sie. »In Ordnung.«
Sie wollte den kleinen Schwarzen nicht im Stehen trinken, sondern nahm an einem Tisch Platz. Er stand im günstigen Winkel zu dem, an dem der zweite Gast saß. Angela kannte ihn nicht einmal mit Na nun. Angeblich war er Libyer und jemand, der durch sein Wissen verdammt gefährlich werden konnte. Er trank Kaffee und hatte seinen langen Mantel nicht ausgezogen. Die Schöße schleiften über den Boden hinweg. Der Mann selbst starrte verloren in die Tasse oder auf die dunkle Tischplatte. Angela hatte er nur einen kurzen Blick gegönnt.
Die Espressomaschine zischte. Der Wirt pfiff irgendeinen Schlager. Er kam mit der kleinen Tasse an Angelas Tisch und stellte sie dort ab. »Bitte sehr.«
»Danke.« Sie schaute kaum hoch, blickte dem Wirt auf seinem Weg zur Theke aber nach. Sie wunderte sich über dessen Gang, der so gar nichts Schlurfendes an sich hatte. Dieser Typ ging federnd, wie jemand, der sportlich durchtrainiert ist.
Die Frau überlegte. Sie führte die kleine Tasse mit der linken Hand an den Mund. Die rechte hatte sie in die entsprechende Tasche der Lederjacke geschoben, wo ihre Finger mit dem dünnen Handschuh
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