Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
wer zuletzt lachen (oder einen Nobelpreis gewinnen) sollte.
Abb. 56: Modellkandidaten, die ich auf einer Folie bei einer Tagung präsentierte.
Der LHC bietet uns eine einzigartige Gelegenheit, um ein neues Verständnis und neues Wissen zu gewinnen. Wir Elementarteilchenphysiker hoffen, dass wir bald Antworten auf die tiefgründigen Fragen erhalten werden, über die wir nachgedacht haben: Warum haben die Teilchen ihre jeweilige Masse? Woraus besteht dunkle Materie? Lösen Extra-Dimensionen das Hierarchieproblem? Sind Extra-Symmetrien der Raumzeit im Spiel? Oder ist etwas völlig Unvorhergesehenes im Gange?
Antworten, die hierzu vorgeschlagen wurden, beinhalten Modelle mit Bezeichnungen wie Supersymmetrie, Technicolor und Extra-Dimensionen. Die Antworten könnten sich gegenüber den Erwartungen zwar als ganz anders erweisen, aber Modelle geben uns konkrete Ziele im Hinblick darauf an die Hand, wonach wir suchen sollen. Dieses Kapitel stellt einige der Modellkandidaten vor, die sich mit dem Hierarchieproblem befassen, und vermittelt einen Eindruck der Art von Untersuchungen, die am LHC durchgeführt werden. Die Suche nach diesen und anderen Modellen findet gleichzeitig statt und wird auch unabhängig davon, was die richtige Theorie der Natur sein wird, wertvolle Erkenntnisse liefern.
Supersymmetrie
Wir beginnen mit der sonderbaren Symmetrie, die Supersymmetrie genannt wird, und den Modellen, denen eine solche zugrunde liegt. Wenn man eine Umfrage unter theoretischen Elementarteilchenphysikern machen würde, würde ein Großteil von ihnen wahrscheinlich sagen, dass die Supersymmetrie das Hierarchieproblem löst. Und wenn man Experimentalphysiker danach fragen würde, wonach sie suchen wollen, würde ein Großteil von ihnen ebenfalls die Supersymmetrie nennen.
Seit den 1970er Jahren haben viele Physiker supersymmetrische Theorien für so schön und überraschend gehalten, dass sie davon überzeugt sind, die Supersymmetrie müsse auch in der Natur existieren. Außerdem haben sie berechnet, dass die elementaren Kräfte in einem supersymmetrischen Modell bei hoher Energie dieselbe Stärke haben sollten – was eine Verbesserung der Beinahe-Konvergenz darstellt, die es im Standardmodell gibt, und die Möglichkeit der Vereinheitlichung eröffnet. Viele Theoretiker halten die Supersymmetrie ebenfalls für die attraktivste Lösung des Hierarchieproblems, und zwar trotz der Schwierigkeit, die damit verbunden ist, alle Einzelheiten mit dem, was wir wissen, in Einklang zu bringen.
Supersymmetrische Modelle postulieren, dass jedes Elementarteilchen des Standardmodells – Elektronen, Quarks etc. – einen Partner in Form eines Teilchens mit ähnlichen Wechselwirkungen, aber anderen quantenmechanischen Eigenschaften besitzt. Wenn die Welt supersymmetrisch ist, dann gibt es viele unbekannte Teilchen, die man schon bald finden könnte – einen supersymmetrischen Partner für jedes bekannte Teilchen (siehe Abbildung 57).
Supersymmetrische Modelle könnten bei der Lösung des Hierarchieproblems helfen, und zwar auf bemerkenswerte Weise. In einem exakt supersymmetrischen Modell heben sich die virtuellen Beiträge von Teilchen und ihren Superpartnern exakt auf. Das bedeutet, dass, wenn man alle quantenmechanischen Beiträge jedes Teilchens im supersymmetrischen Modell aufaddiert und ihre Wirkung auf die Masse des Higgs-Bosons zusammenrechnet, man feststellen würde, dass sie alle null ergeben. In einem supersymmetrischen Modell wäre das Higgs-Boson masselos oder leicht, und zwar selbst beim Vorhandensein quantenmechanischer Korrekturen. In einer echten supersymmetrischen Theorie hebt sich die Summe der Beiträge beider Arten von Teilchen exakt auf (siehe Abbildung 58).
Abb. 57: In einer supersymmetrischen Theorie hätte jedes Teilchen des Standardmodells einen supersymmetrischen Partner. Der Higgs-Sektor ist gegenüber dem des Standardmodells ebenfalls erweitert.
Das mag zwar wie ein Wunder klingen, wird jedoch dadurch garantiert, dass die Supersymmetrie eine ganz besondere Art von Symmetrie ist. Sie ist zwar eine Symmetrie von Raum und Zeit – wie die Symmetrien, mit denen Sie vertraut sind, wie z.B. Drehungen und Translationsbewegungen –, aber sie erweitert sie auf den Quantenbereich.
Abb. 58: In einem supersymmetrischen Modell gleichen die Beiträge der virtuellen supersymmetrischen Teilchen exakt die Beiträge der Teilchen des Standardmodells zur Masse des Higgs-Bosons aus. Beispielsweise ist die Summe der
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