Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
schweren supersymmetrischen Teilchen. Wenn das der Fall ist, wird das schwere supersymmetrische Teilchen auf eine solche Weise in leichtere Teilchen des Standardmodells zerfallen, dass die ursprüngliche Ladung erhalten bleibt. Die Experimente werden dann die Teilchen des Standardmodells feststellen.
Wahrscheinlich reicht das nicht aus, um die Supersymmetrie nachzuweisen. Aber in fast allen supersymmetrischen Modellen wird ein supersymmetrisches Teilchen nicht ausschließlich in Teilchen des Standardmodells zerfallen. Ein weiteres (leichteres) supersymmetrisches Teilchen bleibt am Ende des Zerfallsprozesses übrig, und zwar deshalb, weil supersymmetrische Teilchen nur in Paaren erscheinen (oder verschwinden). Daher muss ein supersymmetrisches Teilchen am Ende übrigbleiben, nachdem ein supersymmetrisches Teilchen zerfallen ist – ein supersymmetrisches Teilchen kann sich nicht in keines verwandeln. Folglich muss das leichteste solche Teilchen stabil sein. Das leichteste Teilchen, für das es nichts gibt, in das es zerfallen könnte, wird unter Physikern das leichteste supersymmetrische Teilchen oder LSP (lightest supersymmetric particle) genannt.
Von einem experimentellen Gesichtspunkt aus sind Zerfallsprozesse supersymmetrischer Teilchen insofern charakteristisch, als das leichteste der neutralen supersymmetrischen Teilchen auch dann übrigbleiben wird, wenn der Zerfallsprozess abgeschlossen ist. Kosmologische einschränkende Bedingungen sagen uns, dass das LSP keinerlei Ladung trägt und deshalb auch nicht mit irgendwelchen Bestandteilen des Detektors wechselwirken wird. Das bedeutet, dass immer dann, wenn ein supersymmetrisches Teilchen erzeugt wird und zerfällt, Impuls und Energie verlorenzugehen scheinen. Das LSP wird aus dem Detektor verschwinden und Impuls und Energie an Orte forttragen, an denen sie nicht registriert werden können, wobei es als seine Signatur fehlende Energie hinterlässt. Fehlende Energie ist zwar nicht ausschließlich spezifisch für Supersymmetrie, aber da wir schon eine Menge über das supersymmetrische Spektrum wissen, wissen wir, was wir sehen sollten, und was nicht.
Nehmen wir z.B. an, dass ein Squark, der supersymmetrische Partner eines Quarks, erzeugt wird. In welche Teilchen es zerfallen kann, wird davon abhängen, welche Teilchen leichter sind. Ein möglicher Zerfallsmodus wird prinzipiell so aussehen, dass ein Squark sich in ein Quark und das leichteste supersymmetrische Teilchen verwandelt (siehe Abbildung 59). Wir erinnern uns daran, dass der Detektor nur die Zerfallsprodukte registriert, weil Zerfallsprozesse im Wesentlichen augenblicklich erfolgen können. Wenn ein solcher Squark-Zerfall stattfände, würden die Detektoren das Vorbeifliegen des Quarks im Tracker und im Hadronkalorimeter registrieren, das die von einem stark wechselwirkenden Teilchen abgegebene Energie misst. Aber das Experiment wird ebenfalls messen, dass Energie und Impuls fehlen. Die Experimentalphysiker sollten in der Lage sein, auf dieselbe Weise festzustellen, dass der Impuls fehlt, wie sie es bei der Erzeugung von Neutrinos tun können. Sie würden den Impuls im rechten Winkel zum Strahl messen und feststellen, dass er sich nicht zu null addiert. Eine der größten Herausforderungen für die Experimentalphysiker wird darin bestehen, diesen fehlenden Impuls eindeutig zu identifizieren. Schließlich erscheint alles, was nicht registriert wird, als etwas Fehlendes. Wenn etwas schiefläuft oder falsch gemessen wird und selbst kleine Energiemengen unentdeckt bleiben, könnte sich der fehlende Impuls aufaddieren und so das Signal eines entkommenden supersymmetrischen Teilchens nachahmen, obwohl nichts Exotisches erzeugt wurde.
Abb. 59: Ein Squark kann in ein Quark und das leichteste supersymmetrische Teilchen zerfallen.
Da das Squark nie alleine erzeugt wird, sondern nur zusammen mit einem anderen stark wechselwirkenden Objekt (wie z.B. ein anderes Squark oder Antiquark), werden die Experimentalphysiker tatsächlich mindestens zwei Jets messen (siehe das Beispiel in Abbildung 60). Wenn zwei Squarks durch einen Protonenzusammenstoß erzeugt werden, würden daraus zwei Quarks entstehen, die von den Detektoren registriert werden würden. Die fehlende Nettoenergie und der fehlende Impuls würden zwar nicht aufgezeichnet werden, aber ihr Fehlen würde bemerkt werden und einen Beleg für neue Teilchen liefern.
Abb. 60: Der LHC könnte zwei Squarks zusammen erzeugen, von denen beide in Quarks und LSPs
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