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Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

Titel: Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LISA RANDALL
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Leistungen vom Verstehen der starken Kernkraft im Innern der Materie bis zu derjenigen Mathematik reichten, die mithilfe der Stringtheorie abgeleitet werden konnte.
    Puschkin hatte recht, als er schrieb: »Inspiration braucht man in der Geometrie ebenso wie in der Poesie.« Kreativität ist für die Elementarteilchenphysik, Kosmologie, Mathematik und andere Gebiete der Naturwissenschaft ebenso entscheidend wie für ihre weiter anerkannten Nutznießer – die Geistes- und Humanwissenschaften. Die Naturwissenschaft stellt den Inbegriff für kreative Unternehmungen in einem beschränkten Umfeld dar. Die dabei beteiligte Inspiration und das Vorstellungsvermögen werden inmitten der logischen Regeln leicht übersehen. Doch Mathematik und Technik wurden selbst von Menschen entdeckt und entwickelt, die kreative Gedanken im Hinblick darauf hatten, wie man Ideen miteinander verbinden kann – und von denjenigen, die zufällig auf ein interessantes Ergebnis stießen und die kreative Wachsamkeit besaßen, seinen Wert zu erkennen.
    In den letzten Jahren hatte ich das Glück, dass sich mir eine Vielzahl von Gelegenheiten geboten haben, kreativen Menschen verschiedener Berufszweige zu begegnen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, und es ist interessant, darüber nachzudenken, was ihnen gemeinsam ist. Naturwissenschaftler, Schriftsteller, Künstler und Musiker mögen zwar auf den ersten Blick als sehr verschieden erscheinen, aber die Eigenart der Fähigkeiten, Talente und Temperamente ist nicht immer so charakteristisch, wie man erwarten könnte. Ich werde jetzt unsere Geschichte der Naturwissenschaft und des naturwissenschaftlichen Denkens mit einigen Eigenschaften abrunden, die ich am auffälligsten fand.
    Ausnahmetalent
    Weder Naturwissenschaftler noch Künstler denken wahrscheinlich über Kreativität an sich nach, wenn sie etwas Bedeutendes leisten. Nur wenige erfolgreiche Menschen (falls überhaupt) setzen sich an ihren Schreibtisch und beschließen: »Heute werde ich kreativ sein.« Stattdessen sind sie auf ein Problem fokussiert. Und wenn ich »fokussiert« sage, meine ich so fokussiert, dass sie sich ausschließlich darauf konzentrieren können, einfach darüber nachdenken müssen und unaufhörlich mit ihrer Arbeit beschäftigt sind.
    Gewöhnlich sehen wir nur das Endprodukt kreativer Unternehmungen, ohne den gewaltigen Einsatz und das technische Fachwissen zu kennen, die ihnen zugrunde liegen. Als ich den 2008 gedrehten Film Man on Wire sah, der Philippe Petits 400-Meter-Drahtseilakt von 1974 hoch in der Luft zwischen den Zwillingstürmen des World Trade Centers feierte – ein Kunststück, das damals die Aufmerksamkeit der meisten New Yorker wie eben auch meine eigene und die vieler anderer auf der ganzen Welt fesselte –, wusste ich seinen Sinn für Abenteuer und Spiel und seine Kunstfertigkeit zu schätzen. Aber Philippe schraubt nicht einfach ein Drahtseil an zwei Wänden fest und schlängelt sich darauf entlang. Die Choreographin Elizabeth Streb zeigte mir das drei Zentimeter dicke Buch mit den vielen Zeichnungen und Rechnungen, die er anstellte, bevor er in ihrem Atelier ein Drahtseil anbrachte. Erst dann verstand ich die Vorbereitung und Konzentration, die die Standfestigkeit seines Unternehmens gewährleistete. Philippe war ein »autodidaktischer Ingenieur«, wie er sich selbst scherzhaft beschrieb. Erst nach sorgfältiger Untersuchung und Anwendung bekannter physikalischer Gesetze auf das Verständnis der mechanischen Eigenschaften seiner Materialien war er darauf vorbereitet, seinen Drahtseilakt durchzuführen. Natürlich konnte Philippe nicht absolut sicher sein, dass er alles berücksichtigt hatte, bevor er es wirklich tat – sondern nur alles, was er vorhersehen konnte, was erwartungsgemäß aber auch ausreichte.
    Wenn es Ihnen schwerfällt, zu glauben, dass ein solcher Grad von Konzentration existiert, sehen Sie sich nur um. Menschen sind häufig von ihren Tätigkeiten gefesselt – ob sie nun von kleiner oder großer Bedeutung sind. Ihr Nachbar löst Kreuzworträtsel, Ihre Freunde sitzen ganz gebannt und schauen sich Sport im Fernsehen an, jemand in der U-Bahn ist so in ein Buch versunken, dass sie ihre Haltestelle verpasst – ganz zu schweigen von den zahllosen Stunden, die Sie möglicherweise mit Videospielen zubringen.
    Diejenigen, die sich mit Forschung befassen, sind in der glücklichen Lage, dass das, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen, mit dem zusammenfällt, was sie lieben – oder

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