Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
bessere Informationen über die Szintillation liefern, da sie von der detaillierten Form des Szintillationspulses als Funktion der Zeit Gebrauch machen, und das wird ebenfalls dazu beitragen, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Die sonderbare Sachlage von heute (obwohl sich das bald ändern könnte) besteht darin, dass ein Szintillationsexperiment – das DAMA-Experiment im italienischen Gran-Sasso-Labor – tatsächlich schon ein Signal entdeckt hat. Im Unterschied zu den eben geschilderten Experimenten gibt es bei DAMA keine interne Diskrimination zwischen Signal und Hintergrund. Stattdessen beruht es auf der ausschließlichen Identifikation von Ereignissen dunkler Materie durch ihre Zeitabhängigkeit, indem es die charakteristische Geschwindigkeitsabhängigkeit ausnutzt, die sich aus der Erdumlaufbahn um die Sonne ergibt.
Der Grund, warum die Geschwindigkeit eintreffender dunkler Materieteilchen relevant ist, liegt darin, dass diese bestimmt, wie viel Energie im Detektor abgegeben wird. Wenn die Energie zu niedrig ist, ist das Experiment nicht empfindlich genug, um festzustellen, ob irgendetwas da war. Mehr Energie bedeutet, dass das Experiment mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Ereignis registriert. Aufgrund der Umlaufgeschwindigkeit der Erde hängt die Geschwindigkeit der dunklen Materie relativ zu uns (und damit auch die abgegebene Energie) von der Jahreszeit ab – wodurch es leichter wird, zu bestimmten Zeiten im Jahr (Sommer) gegenüber anderen (Winter) ein Signal festzustellen. Das DAMA-Experiment sucht nach einer über das Jahr verteilten Veränderung der Ereignishäufigkeit, die mit dieser Vorhersage übereinstimmt. Und die entsprechenden Daten deuten darauf hin, dass ein solches Signal gefunden wurde (siehe die Oszillationsdaten des DAMA-Experiments in Abbildung 79).
Abb. 79: Daten aus dem DAMA-Experiment, die die Veränderung des Signals über die Zeit hinweg zeigen.
Noch weiß niemand mit Gewissheit, ob dem DAMA-Signal dunkle Materie zuzuordnen ist oder auf ein mögliches falsches Verständnis des Detektors oder seiner Umgebung zurückgeht. Man ist skeptisch, da noch kein anderes Experiment etwas festgestellt hat. Dieses Fehlen von anderen Signalen steht im Widerspruch zu den Vorhersagen der meisten Modelle dunkler Materie.
Obwohl es vorerst verwirrend ist, wird genau dadurch die Naturwissenschaft interessant. Das Ergebnis regt uns zum Nachdenken darüber an, was es für verschiedene Arten von dunkler Materie geben könnte und ob die dunkle Materie Eigenschaften haben könnte, die es für DAMA leichter machen, sie zu entdecken, als für andere Experimente zur Feststellung dunkler Materie. Solche Ergebnisse zwingen uns auch zu einem besseren Verständnis der Detektoren, so dass wir unechte Signale identifizieren und entscheiden können, ob die Daten auch das bedeuten, was die Experimentalphysiker behaupten.
Andere Experimente auf der ganzen Welt bemühen sich um eine größere Empfindlichkeit. Sie könnten die Entdeckung dunkler Materie durch das DAMA-Experiment entweder ausschließen oder bestätigen. Oder sie könnten unabhängig davon und eigenständig eine andere Art von dunkler Materie entdecken. Jedermann würde zugeben, dass dunkle Materie entdeckt worden wäre, wenn nur ein anderes Experiment die Daten des DAMA-Experiments bestätigt, aber das ist noch nicht geschehen. Trotzdem sollten wir bald Antworten bekommen. Selbst wenn die eben vorgestellten Ergebnisse nicht mehr aktuell sind, wenn Sie dies lesen, wird dasselbe jedoch nicht für die Natur der Experimente gelten.
Indirekte Feststellung dunkler Materie
Die LHC-Experimente und erdgestützte kryogene oder auf verflüssigtem Edelgas basierende Detektoren sind zwei Möglichkeiten, um das Wesen der dunklen Materie zu bestimmen. Die dritte und letzte Methode operiert mit indirekter Feststellung dunkler Materie am Himmel oder auf der Erde.
Dunkle Materie kommt zwar nur verdünnt vor, vernichtet sich aber doch gelegentlich mit sich selbst oder mit ihrem Antiteilchen. Das geschieht zwar nicht häufig genug, um die Gesamtdichte zu beeinflussen, aber es könnte ausreichen, um ein messbares Signal hervorzubringen. Dies liegt daran, dass neue Teilchen erzeugt werden, die die Energie der dunklen Materieteilchen wegtragen, wenn diese vernichtet werden. Je nach ihrer Beschaffenheit könnte die Vernichtung dunkler Materie manchmal feststellbare Teilchen und Antiteilchen des Standardmodells liefern, wie z.B. Elektronen und Positronen oder
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