Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Englischprofessor – auf interessante Weise beitragen konnte.
In ihrem Eröffnungsvortrag beschrieb die Literaturkritikerin und Dichterin Linda Gregerson das Universum als »erhaben«. Dieses Wort erfasst genau das, was das Universum so wunderbar und so frustrierend zugleich macht. Ein Großteil scheint jenseits unserer Reichweite und unseres Verständnisses zu liegen, während es doch als nahe genug erscheint, um uns zu quälen – und uns zum Eintreten und Verstehen auffordert. Die Herausforderung für alle Denkansätze, die nach Erkenntnis streben, besteht darin, uns diese weniger zugänglichen Aspekte des Universums näherzubringen, verständlicher und letztlich weniger fremd zu machen. Die Menschen wollen das Buch der Natur lesen und verstehen lernen und diese Lektionen mit der verständlichen Welt in Einklang bringen.
Die Menschheit verwendet unterschiedliche Methoden und strebt nach gegensätzlichen Zielen beim Versuch, die Geheimnisse des Lebens und der Welt zu entwirren. Kunst, Wissenschaft und Religion bieten verschiedene Mittel und Methoden, sich der Überbrückung der Lücken in unserem Verständnis zu nähern – obwohl sie auch gemeinsame kreative Impulse aufweisen können.
Bevor wir also zur Welt der modernen Physik zurückkehren, stellt der Rest dieses Teils des Buches diese verschiedenen Denkweisen einander gegenüber, stellt einiges des historischen Kontextes der Debatte zwischen Naturwissenschaft und Religion vor und präsentiert zumindest einen Aspekt dieser Debatte, der niemals entschieden werden wird. Bei der Überprüfung dieser Fragen werden wir die materialistischen und mechanistischen Prämissen der Naturwissenschaft erforschen – ein wesentliches Merkmal des naturwissenschaftlichen Denkansatzes. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden zwar diejenigen, die an den äußersten Enden des Spektrums stehen, ihre Meinung nicht ändern, aber dennoch mag diese Diskussion für eine genauere Bestimmung der Wurzeln der Meinungsverschiedenheiten nützlich sein.
Der Maßstab des Unbekannten
Der deutsche Dichter Rainer Maria Rilke erfasste das Paradox, das im Zentrum unserer Gefühle steht, wenn wir mit dem Erhabenen konfrontiert sind, als er schrieb: »Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören.« [10] In ihrem Vortrag in Salt Lake City wandte sich Linda Gregerson dem Erhabenen in subtilen, erhellenden und etwas weniger einschüchternden Worten zu. Sie führte Immanuel Kants Unterscheidung zwischen dem Schönen, das »uns glauben macht, dass wir für dieses Universum gemacht sind und es für uns«, und dem Erhabenen, das weitaus beängstigender ist, weiter aus. Gregerson beschrieb, wie Menschen »dunkle Vorahnungen beim Betrachten des Erhabenen« empfinden, weil es »weniger gut zu passen« scheint – weil es sich weniger für menschliche Interaktionen und Wahrnehmungen eignet.
Das Wort »erhaben« tauchte 2009 in Gesprächen mit meinen Mitarbeitern über Musik, Kunst und Wissenschaft wieder auf, als wir an einer Oper, die die Physik zum Gegenstand hatte, über diese Themen arbeiteten. Unserem Dirigenten, Clement Power, zufolge verwirklichten bestimmte Musikstücke gelegentlich den Inbegriff von Schrecken und Schönheit zugleich, jene Merkmale, wodurch andere das Erhabene definiert hatten. Erhabene Musik befand sich für Clement auf einem Gipfel jenseits seiner Verstandeskraft – sie widersetzt sich einfachen Interpretationen und Erklärungen.
Das Erhabene bringt Skalen hervor und wirft Fragen auf, die möglicherweise einfach jenseits der Reichweite unseres Verstandes liegen. Aus diesen Gründen ist es sowohl furchterregend als auch fesselnd. Die Reichweite des Erhabenen ändert sich über die Zeit hinweg, sowie die Maßstäbe, mit denen wir vertraut sind, einen zunehmend größeren Bereich abdecken. Aber wir möchten stets Erkenntnisse über das Verhalten oder über Ereignisse in Größenbereichen gewinnen, die viel zu klein oder viel zu groß sind, um ohne weiteres verständlich zu sein.
Unser Universum ist in vielen Hinsichten erhaben. Es gibt Anlass zur Verwunderung, kann aber in seiner Komplexität auch Respekt – oder gar Furcht – einflößen. Trotzdem passen seine Bestandteile auf wunderbare Weise zusammen. Kunst, Wissenschaft und Religion zielen alle darauf ab, die Neugier der Menschen zu kanalisieren und uns aufzuklären, indem sie die Grenzen unseres
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