Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Universum gehorchen und die man verehren soll«. Von Dictionary.com erfahren wir, dass die Religion »eine Menge von Überzeugungen [ist], die die Ursachen, das Wesen und den Zweck des Universums betreffen, insbesondere wenn es als die Schöpfung einer übermenschlichen Macht oder übermenschlicher Mächte betrachtet wird, und gewöhnlich die Einhaltung von Andacht und Ritualen beinhaltet sowie den Entwurf eines moralischen Kodex, der die Moral in menschlichen Angelegenheiten regelt.« Nach diesen Definitionen bezieht sich die Religion nicht nur auf das Verhältnis der Menschen zur Welt – sei es nun moralisch oder emotional oder spirituell –, sondern auf die Welt selbst. Dadurch werden religiöse Ansichten der Falsifikation zugänglich. Wenn die Naturwissenschaft auf Erkenntnisbereiche übergreift, die die Religion zu erklären versucht, entstehen notwendig Meinungsverschiedenheiten.
Trotz des gemeinsamen Strebens der Menschheit nach Weisheit sind Menschen, die verschiedene Methoden zum Stellen von Fragen und Finden von Antworten verwenden, oder Menschen mit unterschiedlichen Zielen nicht immer miteinander ausgekommen, und die Suche nach der Wahrheit hat sich nicht immer sauber entlang von Grenzlinien vollzogen, durch die Kontroversen vermieden würden. Wenn Menschen religiöse Überzeugungen auf die Welt der Natur anwenden, können diese Überzeugungen durch Naturbeobachtungen zurückgedrängt werden, und die Religion muss dann diese Befunde berücksichtigen. Das galt schon für die Frühkirche – die beispielsweise Willensfreiheit mit göttlicher Allmacht zu versöhnen hatte –, so, wie es auch heute für religiöse Denker gilt.
Sind Naturwissenschaft und Religion miteinander verträglich?
Wissenschaft und Religion befanden sich nicht schon immer in diesem Dilemma. Vor der wissenschaftlichen Revolution koexistierten Religion und Wissenschaft friedlich miteinander. Im Mittelalter begnügte sich die römische katholische Kirche damit, eine großzügige Interpretation der Schrift zu gestatten, die so lange anhielt, bis die Reformation die Dominanz der Kirche bedrohte. Galileis Belege für die kopernikanische heliozentrische Theorie, die den Behauptungen der Kirche über den Himmel widersprachen, waren in diesem Zusammenhang besonders beunruhigend – die Veröffentlichung seiner Ergebnisse setzte sich nicht nur über Befehle der Kirche hinweg, sondern stellte ausdrücklich die alleinige Autorität der Kirche bei der Auslegung der Schrift in Frage. Der Klerus war deshalb nicht besonders entzückt über Galilei und seine Behauptungen.
Die jüngere Geschichte hat zahlreiche Beispiele für Konflikte zwischen Naturwissenschaft und Religion geliefert. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, der besagt, dass die Welt sich auf einen Zustand zunehmender Unordnung hinbewegt, kann Menschen entsetzen, die glauben, dass Gott eine ideale Welt geschaffen hat. Die Theorie der Evolution wirft natürlich ähnliche Probleme auf, die in jüngster Zeit in Form von »Debatten« über intelligentes Design ausbrechen. Sogar das expandierende Universum kann jenen Kopfzerbrechen bereiten, die glauben wollen, dass wir in einem vollkommenen Universum leben, obwohl es Georges Lemaître war, ein katholischer Priester, der als Erster die Theorie des Urknalls vorschlug.
Eines der amüsanteren Beispiele für einen Naturwissenschaftler, der sich mit seinem Glauben auseinandersetzt, betrifft den englischen Naturforscher Philip Gosse. Er fand sich in einem Dilemma wieder, als er im frühen 19. Jahrhundert bemerkte, dass die Gesteinsschichten der Erde, die Fossilien von ausgestorbenen Tieren enthalten, der Vorstellung widersprachen, dass die Erde nur sechstausend Jahre alt sein konnte. In seinem Buch Omphalos löste er diesen Konflikt dadurch auf, dass er sich dafür entschied, die Erde sei zwar erst kürzlich geschaffen worden, enthalte aber besonders geschaffene »Knochen« und »Fossilien« von Tieren, die nie existiert haben, und andere irreführende Zeichen ihrer (nichtexistierenden) Geschichte. Gosse postulierte, dass eine funktionierende Welt Anzeichen von Veränderungen zeigen sollte, auch wenn diese in Wirklichkeit nie existiert haben sollten. Diese Interpretation mag sich zwar albern anhören, aber in technischer Hinsicht ist sie in Ordnung. Dennoch schien nie jemand anderes seine Interpretation besonders ernst zu nehmen. Gosse selbst wechselte zur Meeresbiologie, um die ärgerlichen Glaubenstests zu vermeiden, die die Knochen
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