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Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

Titel: Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LISA RANDALL
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keinerlei Weise darauf, dass die Natur zugrunde liegende Ziele haben müsse. Das ist eine Art der Fragestellung, die wir der Religion oder Philosophie überlassen oder aber ganz aufgeben.
    Bei unserem Gespräch in Los Angeles sagte mir der Drehbuchautor Scott Derrickson, dass es ursprünglich eine Zeile in dem Film Der Tag, an dem die Erde stillstand gab (2008 übernahm er die Regie einer Neuverfilmung des Originals von 1951), die ihm so viel Kopfzerbrechen bereitete, dass er tagelang darüber nachdachte. Die Figur Jennifer Connollys sollte die Bemerkung machen, dass »das Universum zufällig ist«, als sie über den Tod ihres Mannes sprach.
    Scott war über diese Worte beunruhigt. Die grundlegenden physikalischen Gesetze schließen zwar Zufälligkeit mit ein, aber ihr ganzer Zweck besteht darin, alles Wesentliche über die Ordnung zu enthalten, so dass sich zumindest einige Aspekte des Universums als vorhersagbare Phänomene betrachten lassen. Scott sagte mir, dass er nach der Entfernung dieser Zeile mehrere Wochen brauchte, dasjenige Wort zu finden, nach dem er gesucht hatte – »gleichgültig«. Ich wurde hellhörig, als ich genau dieselbe Zeile in der Fernsehshow Mad Men hörte, ausgesprochen von der Hauptfigur, Don Draper, und zwar so, dass sie geschmacklos klang.
    Aber ein gleichgültiges Universum ist nichts Schlechtes – aber auch nichts Gutes. Naturwissenschaftler suchen nicht nach einer zugrunde liegenden Absicht, wie es die Religion häufig tut. Objektive Naturwissenschaft erfordert einfach, dass wir das Universum als ein gleichgültiges behandeln. Tatsächlich befreit die Naturwissenschaft durch ihre neutrale Haltung manchmal die Bedingungen des Menschseins vom Stigma des Bösen, indem sie auf den physikalischen im Gegensatz zum moralischen Ursprung der Menschen hinweist. Beispielsweise wissen wir, dass Geisteskrankheiten und Sucht »unschuldige« genetische und physikalische Ursprünge haben, wodurch sie in die Kategorie der Krankheit fallen, die von der Sphäre der Moral ausgenommen ist.
    Aber dennoch behandelt die Naturwissenschaft nicht alle moralischen Fragen (obwohl sie sie auch nicht verleugnet, wie manchmal behauptet wird). Und sie fragt auch nicht nach den Gründen für das Verhalten des Universums und erforscht nicht die Moralität menschlicher Angelegenheiten. Obwohl logisches Denken gewiss beim Umgang mit der modernen Welt nützlich ist und manche Wissenschaftler heute nach physiologischen Grundlagen für moralische Handlungen suchen, besteht der Zweck der Wissenschaft im Allgemeinen nicht darin, das Problem der moralischen Stellung der Menschen zu lösen.
    Die Trennlinie ist nicht immer scharf, und Theologen können manchmal naturwissenschaftliche Fragen stellen, während Naturwissenschaftler ihre ursprünglichen Ideen oder Orientierungen aus einer Weltanschauung beziehen mögen, die sie inspiriert – manchmal sogar von einer religiösen. Da Naturwissenschaft von Menschen betrieben wird, werden Zwischenphasen, in denen Naturwissenschaftler ihre Theorien formulieren, häufig von unwissenschaftlichen menschlichen Instinkten geprägt sein, wie z.B. dem Glauben daran, dass es überhaupt Antworten gibt, oder von Gefühlen mit Bezug auf bestimmte Überzeugungen. Natürlich gilt das auch umgekehrt: Künstler und Theologen können von Beobachtungen und einem naturwissenschaftlichen Weltverständnis geleitet werden.
    Aber diese mitunter verschwommenen Einteilungen heben die Unterschiede in den letztendlichen Zielen nicht auf. Die Naturwissenschaft zielt auf ein vorhersagbares physikalisches Weltbild ab, mit dem sich erklären lässt, wie die Dinge funktionieren. Die Methoden und Ziele von Naturwissenschaft und Religion sind grundverschieden, wobei die Naturwissenschaft die physikalische Wirklichkeit behandelt und die Religion sich psychologischen oder sozialen menschlichen Wünschen oder Bedürfnissen widmet.
    Diese verschiedenen Ziele sollten keine Quelle von Konflikten sein – tatsächlich scheinen sie im Prinzip zu einer ausgezeichneten Arbeitsteilung zu führen. Die Religionen bleiben jedoch nicht immer bei Fragen des Sinns oder Trostes stehen. Viele Religionen versuchen auch etwas über die äußere Wirklichkeit des Universums zu sagen, wie sich sogar an der Definition des Wortes ablesen lässt: Das American Heritage Dictionary sagt uns, dass Religion der »Glaube an eine göttliche oder übermenschliche Macht oder Mächte [ist], der bzw. denen man als Schöpfer und Herrscher über das

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