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Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

Titel: Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LISA RANDALL
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Jahre später mit ihr über Henry Fieldings Roman Tom Jones sprach, erfuhr ich, dass die Ausgabe, die ich gelesen und die mir durch und durch gefallen hatte, diejenige war, die sie mit Anmerkungen zu versehen half, als sie ihr Aufbaustudium absolvierte. [4]  
    Tom Jones wurde vor 250 Jahren veröffentlicht, doch die Themen des Romans und sein Witz finden bis zum heutigen Tag Anklang. Auf meiner ersten Japanreise las ich die weitaus ältere Geschichte vom Prinzen Genji und bewunderte ebenfalls die Unmittelbarkeit seiner Charaktere trotz der tausend Jahre, die vergangen sind, seit Murasaki Shikibu über sie schrieb. Homer schuf die Odyssee etwa zweitausend Jahre früher. Doch trotz ihres ganz verschiedenen Zeitalters und Kontexts genießen wir auch weiterhin die Erzählung von Odysseus’ Reise und ihre zeitlose Beschreibung der menschlichen Natur.
    Naturwissenschaftler lesen selten solche alten – geschweige denn antiken – naturwissenschaftlichen Texte. Gewöhnlich überlassen wir das den Historikern und Literaturkritikern. Dennoch wenden wir das Wissen an, das über die Zeit hinweg erworben wurde, sei es von Newton im 17. Jahrhundert oder von Kopernikus noch mehr als hundert Jahre früher. Wir mögen zwar die Bücher selbst vernachlässigen, aber wir achten sorgfältig darauf, die wichtigen Gedanken, die sie möglicherweise enthalten, zu bewahren.
    Die Naturwissenschaft besteht gewiss nicht in der statischen Feststellung universaler Gesetze, von denen wir alle in der Grundschule hören. Auch ist sie keine Sammlung willkürlicher Regeln. Die Naturwissenschaft ist ein sich entwickelnder Wissensbestand. Viele der Ideen, die wir gegenwärtig erforschen, werden sich als falsch oder unvollständig erweisen. Naturwissenschaftliche Beschreibungen verändern sich gewiss, wenn wir die Grenzen überschreiten, die dasjenige umschreiben, was wir wissen, und uns in entferntere Gebiete begeben, wo wir Hinweise auf die darüber hinaus existierenden, tieferen Wahrheiten erhaschen können.
    Das Paradox, mit dem Naturwissenschaftler sich auseinandersetzen müssen, liegt darin, dass wir häufig Ideen erforschen, zu deren Veränderung oder Aufgabe uns experimentelle Daten oder ein besseres Verständnis zwingen werden, während wir zugleich Dauerhaftigkeit anstreben. Der solide Kern von Wissen, das geprüft wurde und auf das man sich bisher verlassen hat, wird immer von einer undeutlichen Grenze an Ungewissheiten umgeben, die Gegenstand der gegenwärtigen Forschung sind. Die Ideen und Vorschläge, die uns heute begeistern, werden bald vergessen sein, wenn sie schon morgen von überzeugenderen oder umfassenderen experimentellen Arbeiten für ungültig erklärt werden.
    Als der republikanische Präsidentschaftskandidat von 2008, Mike Huckabee, sich auf die Seite der Religion gegen die Naturwissenschaft stellte – zum Teil weil naturwissenschaftliche »Überzeugungen« sich ändern, während die Christen als ihre Autorität einen ewigen, unveränderlichen Gott anerkennen –, sah er die Sache nicht völlig falsch, zumindest seiner Auffassung nach. Das Universum entwickelt sich, und unser naturwissenschaftliches Wissen, das wir ihm abgewinnen, entwickelt sich ebenfalls. Mit der Zeit schälen die Naturwissenschaftler Schichten der Wirklichkeit ab, um das freizulegen, was sich unter der Oberfläche verbirgt. Wir erweitern und bereichern unser Verständnis in dem Maße, in dem wir zunehmend entfernte Größenmaßstäbe erkunden. Das Wissen macht Fortschritte, und das unerforschte Gebiet weicht zurück, wenn wir diese schwer zugänglichen Abstände erreichen. Naturwissenschaftliche »Überzeugungen« entwickeln sich dann im Einklang mit unserem erweiterten Wissen.
    Trotzdem geben wir die Theorien, die erfolgreiche Vorhersagen im Hinblick auf die Entfernungen und Energien oder Geschwindigkeiten und Dichten machten, die uns in der Vergangenheit zugänglich waren, nicht unbedingt auf, selbst wenn eine bessere Technik ein breiteres Spektrum von Beobachtungen ermöglicht. Naturwissenschaftliche Theorien wachsen und werden erweitert, um ein größeres Wissen aufzunehmen, während sie die zuverlässigen Teile von Gedanken beibehalten, die vorausgingen. Dadurch baut die Naturwissenschaft das alte, bewährte Wissen in das umfassendere Bild ein, das sich aus einem weiteren Spektrum von experimentellen und theoretischen Beobachtungen ergibt. Solche Veränderungen bedeuten nicht unbedingt, dass die alten Regeln falsch sind, aber sie können z.B.

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