Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
haben realistische Erwartungen bezüglich der Erkenntnisse über Masse, Energie und Materie, die die Experimente bald offenbaren könnten.
Der LHC ist gegenwärtig die wichtigste Experimentiermaschine für Elementarteilchenphysiker. Verständlicherweise wurden meine Physiker-Kollegen zunehmend gespannt und aufgeregt, als er seinen Betrieb aufnahm. Man konnte keinen Seminarraum betreten, ohne dass jemand Fragen darüber stellte, was gerade geschah. Welche Energie würden die Kollisionen erreichen? Wie viele Protonen werden die Strahlen enthalten? Theoretiker wollten alle Einzelheiten verstehen, die zuvor für diejenigen von uns, die mit Berechnungen und Konzepten und nicht mit der Entwicklung von Maschinen oder Experimenten zu tun hatten, fast schon Abstraktionen waren. Auch das Umgekehrte war der Fall. Die Experimentalphysiker waren so interessiert wie nie zuvor, unsere neuesten Vermutungen anzuhören und mehr darüber zu erfahren, wonach sie suchen und was sie möglicherweise entdecken könnten.
Sogar bei einer Tagung, die im Dezember 2009 stattfand und dunkle Materie zum Gegenstand haben sollte, kommentierten die Teilnehmer eifrig den LHC – der gerade sein unglaublich erfolgreiches Debüt in Sachen Beschleunigung und Kollision von Teilchen gegeben hatte. Nach der schieren Verzweiflung ein Jahr zuvor war nun jedermann in Ekstase. Die Experimentalphysiker waren erleichtert, dass sie nun Daten hatten, die sie untersuchen konnten, um ihre Detektoren besser zu verstehen. Die Theoretiker waren glücklich, dass sie nun in Kürze ein paar Antworten bekommen würden. Alles lief sagenhaft gut. Die Strahlen sahen gut aus. Kollisionen hatten stattgefunden. Und die Experimente zeichneten Ereignisse auf.
Die Erreichung dieses Meilensteins war jedoch keine einfache Geschichte, und darüber berichtet dieses Kapitel. Schnallen Sie sich also an. Es war eine unruhige Fahrt.
Es ist schließlich eine kleine Welt
Die Geschichte des CERN beginnt einige Jahrzehnte vor der Geschichte des LHC. Bald nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde erstmals ein Beschleunigerzentrum geplant, an dem Experimente zur Untersuchung von Elementarteilchen stattfinden könnten. Damals wollten viele europäische Physiker – von denen manche in die Vereinigten Staaten ausgewandert und andere immer noch in Frankreich, Italien und Dänemark waren –, dass die Spitzenforschung in ihren ursprünglichen Heimatländern wiederhergestellt werde. Amerikaner und Europäer stimmten darin überein, dass es das Beste für die Wissenschaftler und die Wissenschaft sei, wenn die Europäer sich zu diesem gemeinsamen Unternehmen zusammenschlössen und die Forschung nach Europa zurückbrächten, um die Überreste der Verwüstung und des Misstrauens zu beheben, die nach dem erst kürzlich beendeten Krieg verblieben waren.
Bei einer UNESCO-Konferenz in Florenz, die 1950 stattfand, empfahl der amerikanische Physiker Isidor Rabi die Einrichtung eines Labors, das eine starke wissenschaftliche Gemeinschaft in Europa wiederherstellen würde. 1952 wurde der Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire [Europäischer Rat für Kernforschung] (daher das Akronym CERN) zur Schaffung einer solchen Organisation eingerichtet, und am 1. Juli 1953 kamen Vertreter aus zwölf europäischen Nationen zusammen, um die Institution zu gründen, die »the European Organization for Nuclear Research« [europäische Organisation für Kernforschung] genannt wurde. Ihre Gründungskonvention wurde im Jahr darauf ratifiziert. Das Akronym CERN spiegelt also nicht mehr den Namen des Forschungszentrums wider. Und wir untersuchen jetzt subnukleare oder Elementarteilchenphysik. Aber wie es bei der Bürokratie so oft der Fall ist, blieb das Erbe des Beginns erhalten.
Die CERN-Anlage wurde absichtlich mitten in Europa gebaut, auf einem Gelände, das sich über die schweizerisch-französische Grenze in der Nähe von Genf erstreckt. Wenn man die freie Natur mag, ist ein Besuch dieser Gegend traumhaft. Die sagenhafte Umgebung umfasst Ackerland, das nahe gelegene Juragebirge, und in einiger Entfernung sind die Alpen leicht zugänglich. Die am CERN arbeitenden Experimentalphysiker sind im Allgemeinen recht sportlich, da sie mühelos die Gelegenheit zum Skifahren, Klettern und Fahrradfahren haben. Das CERN-Gelände ist recht groß und bietet genügend Raum für einen anstrengenden Lauf, um diese sportlichen Forscher in Form zu halten. Die Straßen sind nach berühmten Physikern benannt, so dass man bei einem
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