Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Fließendes Helium hält die extrem niedrige Temperatur aufrecht. Eine Ummantelung mit etwa 97 Tonnen flüssigen Heliums umgibt die Magneten, um die Kabel zu kühlen. Es handelt sich nicht um gewöhnliches Heliumgas, sondern um Helium mit dem notwendigen Druck, damit es in einem supraflüssigen Aggregatzustand gehalten wird. Supraflüssiges Helium unterliegt nicht der Viskosität gewöhnlicher Materialien und kann daher jegliche Wärme, die in dem Dipol-System erzeugt wird, hochwirksam ableiten: Zunächst werden 10 000 Tonnen flüssigen Stickstoffs abgekühlt, und dadurch werden wiederum die 130 Tonnen Helium gekühlt, die in den Dipolen zirkulieren.
Nicht alles befindet sich beim LHC unter der Erde. Gebäude auf der Oberfläche enthalten Geräte, Elektronik und Kühlanlagen. Ein herkömmliches Kühlaggregat kühlt das Helium auf 4,5 Kelvin herunter, und der letztendliche Kühlvorgang findet statt, indem der Druck verringert wird. Dieser Vorgang (ebenso wie das Aufwärmen) dauert etwa einen Monat, was bedeutet, dass jedes Mal, wenn die Maschine ein- und ausgeschaltet oder eine Reparatur vorgenommen wird, eine Menge zusätzlicher Zeit zum Abkühlen aufgewendet werden muss.
Wenn etwas schiefliefe – z.B. eine winzige Wärmemenge entstehen würde, die in der Lage wäre, die Temperatur zu erhöhen –, würde das System abgeschreckt werden, was bedeutet, dass die Supraleitfähigkeit zerstört werden würde. Ein solches Abschrecken wäre katastrophal, wenn die Energie nicht ordentlich abgeleitet würde, da die gesamte in den Magneten gespeicherte Energie plötzlich freigesetzt würde. Deshalb ist ein besonderes System zur Feststellung von Abschreckungen und zur Verteilung der freigesetzten Energie vorhanden. Dieses System sucht nach Spannungsunterschieden, die mit der Supraleitfähigkeit unvereinbar sind. Wenn eine solche festgestellt wird, wird die Energie innerhalb einer Zeitspanne von weniger als einer Sekunde überall freigesetzt, so dass der Dipol nicht mehr supraleitend ist.
Selbst mit Supraleiter-Technologie werden gewaltige Ströme benötigt, um das Magnetfeld von 8,3 Tesla aufzubauen. Die Stromstärke steigt auf beinahe 13 000 Ampère, was etwa dem Vierzigtausendfachen des Stroms entspricht, der durch die Glühbirne auf Ihrem Schreibtisch fließt.
Mit dem Strom und der Kühlung verbraucht der LHC bei seinem Betrieb eine riesige Menge an Elektrizität – ungefähr die Menge, die man für eine kleine Stadt wie das nahe gelegene Genf braucht. Um einen übermäßigen Energieverbrauch zu vermeiden, läuft der Beschleuniger nur bis zum Beginn der kalten schweizer Wintermonate, in denen die Strompreise steigen (mit einer Ausnahme beim Anfahren im Jahr 2009). Diese Vorgehensweise hat den zusätzlichen Vorteil, dass sie den LHC-Ingenieuren und Wissenschaftlern schöne lange Winterferien beschert.
Durch Vakuum zu Zusammenstößen
Der letzte LHC-Superlativ hat mit dem Vakuum in den Röhren zu tun, in denen die Protonen zirkulieren. Das System muss so weit wie möglich von überschüssiger Materie freigehalten werden, um das kalte Helium zu erhalten, weil einzelne gestreute Moleküle Wärme und Energie abtransportieren könnten. Am wichtigsten ist, dass der Bereich der Protonenstrahlen so frei wie möglich von Gas bleibt. Wenn Gas vorhanden wäre, könnten die Protonen mit ihm kollidieren und den geregelten Umlauf des Protonenstrahls zerstören. Der Druck innerhalb der Strahlen ist daher äußerst gering, zehn Billionen Mal kleiner als der atmosphärische Druck – ein Druck, der eine Million Meter über der Erdoberfläche herrscht, wo die Luft äußerst dünn ist. Beim LHC wurden 9000 Kubikmeter Luft abgesaugt, um den Raum herzustellen, in dem der Protonenstrahl sich wohlfühlt.
Selbst bei diesem lächerlich geringen Druck befinden sich immer noch drei Millionen Gasmoleküle in jedem Kubikzentimeter der Röhre, so dass die Protonen gelegentlich auf das Gas treffen und abgelenkt werden. Würden genügend viele dieser Protonen auf einen supraleitenden Magneten treffen, würden sie ihn abschrecken und die Supraleitfähigkeit zerstören. Kohlenstoff-Kollimatoren richten den LHC-Strahl aus, um jegliche gestreute Strahlteilchen zu entfernen, die sich außerhalb eines drei Millimeter weiten Durchlasses befinden, was groß genug ist, um dem etwa ein Millimeter breiten Strahl einen Durchgang zu ermöglichen.
Dennoch ist es eine schwierige Aufgabe, die Protonen in einem ein Millimeter breiten Paket zu halten. Sie
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