Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
hängt von dem Betrag der Masse ab. Eine kleinere Masse muss in einem proportional kleineren Gebiet zusammenkommen, während eine größere Masse über ein größeres Gebiet verteilt sein kann. In beiden Fällen wird die Gravitationskraft unaufhaltsam, und ein schwarzes Loch bildet sich, wenn die Dichte gewaltig ist und es in dem erforderlichen Volumen eine kritische Masse gibt. Klassisch gesehen (d.h. Berechnungen zufolge, die die Quantenmechanik ignorieren), wachsen diese schwarzen Löcher in dem Maße, in dem sie in der Nähe befindliche Materie aufsaugen. Außerdem besagen die klassischen Berechnungen, dass diese schwarzen Löcher nicht zerfallen werden.
Vor den 1990er Jahren dachte niemand daran, schwarze Löcher im Labor zu erzeugen, da die minimale Masse, die man zur Erzeugung eines schwarzen Lochs braucht, riesig ist im Vergleich zu der typischen Masse eines Teilchens oder den Energien gegenwärtiger Teilchenbeschleuniger. Schließlich verkörpern schwarze Löcher eine extrem starke Schwerkraft, während die Gravitationskraft jedes einzelnen Teilchens, das wir kennen, vernachlässigbar klein ist – viel kleiner als andere Kräfte wie z.B. der Elektromagnetismus. Wenn die Gravitation mit unseren Erwartungen übereinstimmt, dann bleiben in einem aus drei Raumdimensionen bestehenden Universum die Kollisionen zwischen Teilchen bei erreichbaren Energien weit hinter der erforderlichen Energie zurück. Es gibt jedoch im ganzen Weltall schwarze Löcher – tatsächlich scheinen sie sich im Zentrum der meisten Galaxien zu befinden. Aber die Energie, die notwendig ist, um ein schwarzes Loch zu erzeugen, ist um mindestens 15 Größenordnungen – eine Eins mit 15 Nullen – größer als alles, was eine Forschungseinrichtung jemals erzeugen wird.
Warum hat dann überhaupt jemand von der Möglichkeit der Erzeugung schwarzer Löcher am LHC gesprochen? Der Grund liegt darin, dass den Physikern klar wurde, dass der Raum und die Gravitation sich sehr stark von dem unterscheiden könnten, was wir bisher beobachtet haben. Die Gravitation könnte sich nicht nur in den drei räumlichen Dimensionen ausbreiten, die wir kennen, sondern auch in bislang unsichtbaren zusätzlichen Dimensionen, die bis heute nicht detektiert werden konnten. Diese Dimensionen hatten keine bestimmbare Auswirkung auf irgendeine der bisherigen Messungen. Es könnte jedoch sein, dass eine extra-Dimensionale Gravitationskraft – wenn sie existiert – auf nachprüfbare Weise in Erscheinung tritt, wenn wir die Energien des LHC erreichen.
Wie wir in Kapitel 17 weiter untersuchen werden, sind die Extra-Dimensionen, die in Kapitel 7 kurz angesprochen wurden, zwar eine exotische Idee, aber sie sind angemessen theoretisch begründet und könnten sogar die außergewöhnliche Schwäche der uns bekannten Gravitationskraft erklären. Die Gravitation kann in der höherdimensionalen Welt stärker, aber in der dreidimensionalen Welt, die wir beobachten, vermindert und äußerst schwach sein, oder – der Vorstellung zufolge, die Raman Sundrum und ich ausgearbeitet haben – sie könnte in einer Extra-Dimension variieren, so dass sie anderswo stark, aber an unserer Position im höherdimensionalen Raum schwach ist. Noch wissen wir nicht, ob solche Konzepte richtig sind. Sie sind zwar weit davon entfernt, gewiss zu sein, aber wie wir in Kapitel 17 erklären werden, gehören sie zu den führenden Anwärtern für das, was Experimentalphysiker am LHC entdecken könnten.
Aus solchen Modellen würde folgen, dass sich uns ein ganz anderes Antlitz der Gravitation zeigen könnte, wenn wir kleinere Abstände erforschen, bei denen die Wirkung von Extra-Dimensionen im Prinzip erscheinen kann. Theorien, die mit zusätzlichen Dimensionen arbeiten, deuten darauf hin, dass die physikalischen Eigenschaften des Universums sich bei den größeren Energien und kleineren Abständen, die wir schon bald erforschen werden, ändern. Wenn eine extra-Dimensionale Wirklichkeit tatsächlich für die beobachteten Phänomene verantwortlich ist, dann könnten Gravitationseffekte bei LHC-Energien viel stärker sein, als man bisher angenommen hat. In diesem Fall würden die LHC-Ergebnisse nicht bloß auf der Gravitation beruhen, wie wir sie kennen, sondern auch auf der stärkeren Schwerkraft eines höherdimensionalen Universums.
Mit einer so starken Gravitation könnten die Protonen möglicherweise in einem hinreichend kleinen Gebiet zusammenstoßen, um den Energiebetrag zu konzentrieren,
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