Die verratene Nacht
fuhr sie fort. „Ganz eindeutig ein Wunder. Es ist noch nie zuvor passiert. Aber du warst ganz eindeutig tot. Mehr als ... fünf ... oder vielleicht zehn Minuten.“
Theo fand, dass ihm diese Idee letztendlich doch nicht zusagte. Er war das letzte Mal ja auch nicht richtig gestorben, nicht wahr? Er schloss die Augen und öffnete sie dann wieder.
Ihre Augen, so fiel ihm auf, waren von einem hellen, satten Braun. Die Farbe von Karamell oder Brandy und sie waren direkt auf ihn gerichtet. „Vielleicht würdest du mir deinen Namen verraten, damit ich dich nicht mehr Wonderman nennen muss? Oder Drachenmann?“
„Theo.“
„Nun, willkommen zurück unter den Lebenden, Theo“, sagte Selena. Sie setzte sich auf ihrem Stuhl zurecht und er revidierte seine vorherige Einschätzung. Ganz sicher nicht älter als vierzig. Nicht mit einem goldenen Körper, der so fit und kurvenreich war. Vielleicht sogar Anfang dreißig. Schau dir nur die Arme an. „Wie fühlst du dich? Außer hungrig?“
„Müde und wund“, erwiderte er und zog sich noch etwas höher rauf. „Nicht ganz klar im Kopf. Wo bin ich denn übrigens?“
Sie hatte das verdammte Bündel Salbei in die Hand genommen und strich mit ihren Fingern über die langen, ovalen Blätter. „In der Nähe von Yellow Mountain.“
Yellow Mountain. Irgendwo tief unten klingelte etwas, aber die Klebrigkeit hinderte ihn daran, sich zu fokussieren. „Ich bin aus Envy. Weißt du, wo das ist?“
Selena zuckte mit den Schultern und winkte vage mit einer Hand. „In die Richtung? Ich habe Leute, die von überall her kommen, darunter auch aus Envy. Ich frage nicht nach Einzelheiten; es reicht, dass sie hier sind.“
Theo roch etwas und einen Augenblick lang lenkte es ihn ab. Ein vertrauter Geruch, süß und unverwechselbar, stieg da auf. Er roch noch einmal kurz, nur um sicher zu gehen. „Ist das Marihuana?“
Sie nickte und nahm ihm die leere Tasse ab. „Ja. Möchtest du etwas davon?“ Sie lächelte, fügte dann hinzu. „Ich meine, möchtest du noch etwas Suppe? Außer du hast Schmerzen. In dem Fall lasse ich Vonnie den Bong herbringen, wenn sie bei Maryanna durch ist. Es scheint ihr zu helfen und wenn es irgendetwas gibt, was ich tun kann, um die Dinge leichter zu machen, dann tue ich das.“
Na alles klar. Und es war ja nicht so, als wäre Gras jetzt noch illegal. Gesetze gab es in dieser Welt so gut wie gar keine, ganz besonders außerhalb von Envy nicht, welches die größte, bekannte Siedlung von Menschen war.
„Ich habe keine Schmerzen. Aber mein Magen könnte noch was vertragen.“
Und dann auf einmal fiel diese Trübheit weit genug von ihm ab, so dass ihm aufging, wer sie war. „Du bist die Todeslady.“
Ein kleines, wenig humorvolles Lächeln zuckte ihr um die Lippen und sie nickte. „Ja, so nennt man mich.“
Er hatte von ihr gehört, von dieser Frau, die ihr Leben damit zubrachte, bei den Leuten zu sitzen, während diese starben, für sie sorgte und ihnen half. Wie ein Post-Wechsel Hospiz, so stellte er es sich vor. Und da es keine echten Ärzte und ganz gewiss keine Krankenhäuser gab, wusste Theo ganz genau, wie viel sie zu tun hatte. Und wie wichtig ihre Rolle war. Er hatte schon in Envy von ihr gehört, und auch auf seinen Missionen, die ihn jenseits jener sicheren Stadtmauern führten, auf denen er versuchte neue Mitglieder für die geheime Widerstandsbewegung zu gewinnen und neue Netzwerkzugangstelle einzurichten, um ihre Version eines Post-Wechsel Internets allmählich aufzubauen.
„Wie zum Teufel hast du damit–“, setzte er an und merkte dann, dass sein Ton ihn wie einen totalen Vollidioten klingen ließ. Also setzte er noch einmal an und diesmal mäßigte er seinen Ton, „wie bist du denn dazu gekommen, das hier zu tun?“
Selena setzte die Tasse ab und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, wobei sie die Arme unter Brüsten verschränkte, die ihr T-Shirt recht hübsch ausfüllten. „Die meisten meiner Patienten – so nehme ich an, kann man sie nennen – reden nicht viel und stellen mir ganz sicher keine so direkten Fragen. Aber na ja, jeder andere, der bislang zu mir gekommen ist, hat diese Welt schon verlassen und ist in die andere hinüber gegangen. Also nehme ich an, dass du schlicht grundsätzlich anders bist.“
„Nun, jep. Da du mich schon zum Leben erweckt hast, musst du die Schuld ganz allein bei dir suchen. Du hättest es auch einfach sein lassen können, weißt du.“ Er lächelte etwas reumütig.
Sie betrachtete ihn
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