Die verschollene Flotte: Ein halber Sieg: Roman (German Edition)
womöglich so essen wie die Spinnen, mit denen wir vertraut sind?«
»Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mir alle erdenkliche Mühe gegeben, um genau darüber nicht nachzudenken.«
»Das ist verständlich.« Dr. Nasr zog einen Mundwinkel nach unten. »Manche Spinnen fressen ihre Beute nicht sofort auf, sondern lähmen sie oder wickeln sie in einen Kokon, damit sie sich nicht mehr bewegen kann. Dann wenden sie sich vorläufig von ihr ab, weil sie sie jetzt essen können, wann ihnen danach ist. Sie wollen nicht, dass ihrer Beute etwas zustößt, sie soll vielmehr leben und für den Verzehr frisch gehalten werden.«
Im ersten Moment verstand Geary nicht, aber nachdem ihm die Worte des Arztes einen Augenblick lang durch den Kopf gegangen waren, begann er zu begreifen. »Es könnte sein, dass die Bärkühe den Spinnenwölfen schon einmal begegnet sind und sie dabei herausgefunden haben, dass die ihre Beute am liebsten lebend essen und dass sie die Bärkühe als eine solche Beute ansehen, nicht wahr?«
»Wir müssen eine solche Möglichkeit in Erwägung ziehen«, antwortete Dr. Nasr. »Wir wissen es zwar nicht mit Gewissheit, aber genauso wenig wissen wir, dass die Bärkühe noch nie mit derartigen Jägern zu tun gehabt haben, bevor es ihnen gelungen ist, die Herrschaft über ihre Welt zu erlangen. Wir können nichts darüber sagen, ob sie mit einer Spezies zusammengetroffen sind, die vom Geschmack von Bärkühen angetan ist. Menschen betrachten sich selbst üblicherweise nicht als Beute, Admiral. Aber wenn wir den Eindruck bekommen, dass wir für einen anderen nichts weiter darstellen als die nächste Mahlzeit, dann ist das ein wirklich entsetzliches Gefühl. Zuerst habe ich mich gefragt, warum eine intelligente Spezies die Fähigkeit entwickelt, alle Lebensfunktionen einfach abzuschalten und damit zu sterben. Aber dann kam mir der Gedanke, dass die Bärkühe schon immer von irgendwem als Beute angesehen worden sind. Es könnte sein, dass ihre Fähigkeit, sich selbst den Tod aufzuzwingen, zur gleichen Zeit entstand, als sie Intelligenz entwickelten. Ich kann mir die körperlichen Schmerzen vorstellen, die ich empfinden würde, wenn jemand mich verspeisen wollte. Aber ich weiß nicht, wie entsetzlich die seelischen Schmerzen sein können, wenn man weiß, dass man soeben aufgefressen wird. Unter solchen Umständen dürfte es sehr angenehm sein zu wissen, dass man diesen Schmerzen ein Ende bereiten kann, wann immer man das will.«
Ein Summer ertönte in Dr. Nasrs Büro, der Mann zuckte daraufhin zusammen. »Meine Operation, Admiral. Ich muss jetzt los.«
»In Ordnung, Doctor. Stellen Sie nur sicher, dass die restlichen fünf Bärkühe weiterhin betäubt bleiben.«
Dr. Nasr hielt inne, kurz bevor er die Verbindung unterbrechen konnte. »Ihnen ist doch klar, dass wir so wenig über ihre Physiologie wissen, dass wir sie mit unseren Beruhigungsmitteln ohne Weiteres töten könnten.«
»Ich verstehe schon, Doctor.« Es ist egal, ob wir etwas unternehmen oder nichts tun, beides kann verkehrt sein. »Aber wenn wir nicht wollen, dass die verbliebenen fünf sich auch noch umbringen oder auf andere Weise ums Leben kommen, sehe ich im Moment keine Alternative zu den Beruhigungsmitteln.«
Nach dem Gespräch saß Geary da und grübelte über die Situation nach. Was sollte er mit den Bärkühen anfangen? Eine als humanitär gedachte Geste hatte sich in die Notwendigkeit verwandelt, sie in einem Zustand zwischen Leben und Tod zu halten, um sie daran zu hindern, dass sie ihnen einfach wegstarben. Wäre es vielleicht humaner, sie einfach sterben zu lassen?
Ihm wurde bewusst, dass er sie nach den Unterhaltungen mit den Wissenschaftlern und dem Arzt wieder als Bärkühe sah, nicht als Kiks. Doch es war egal, welchen Namen er benutzte, die Probleme blieben die Gleichen. Und das Gespräch mit Dr. Nasr über Commander Benan war auch alles andere als erfreulich verlaufen.
Zweifellos hatten sich ein paar wichtige Leute eingeredet, dass in bestimmten Fällen der Einsatz von mentalen Blockaden gerechtfertigt war und dass es sich um eine humane Methode handelte, um Wissen zu handhaben, das zu gefährlich war, um es in die falschen Hände geraten zu lassen. Aber zumindest eine Person, die von Benans Beteiligung an Brass Prince wusste, hatte keine Blockade erhalten und war dadurch in die Lage versetzt worden, Rione mit diesem Wissen zu erpressen. Alles deutete darauf hin, dass es ein sehr hochrangiges Individuum in den Reihen der Flotte
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