Die Verschollene Flotte Fluchtpunkt Ixi
regungslos die Befehlshaberin der Dauntless, dann deutete sie ein flüchtiges Nicken an. »Ich wollte nicht unterstellen, die Dauntless könnte dieser Aufgabe nicht gewachsen sein.«
»Danke«, erwiderte Desjani genauso unterkühlt wie zuvor.
Geary versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Seit Ilion standen Desjani und Rione andauernd dicht davor, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, doch der Grund dafür war ihm ebenfalls ein Rätsel. Es war schon schlimm genug, dass er sich wegen der Syndik-Flotte den Kopf zerbrechen musste, da hätte er gern darauf verzichtet zu grübeln, wieso es auf einmal böses Blut zwischen den beiden besten Beraterinnen gab, die er in der Flotte hatte. Er konzentrierte sich wieder auf das Display, auf dem die Flottensensoren alle Hände voll damit zu tun hatten, sämtliche aktuellen Informationen zu verarbeiten. Auf einmal fluchte er.
»Was ist los, Sir?«, fragte Desjani und ließ ihren Blick bereits über das eigene Display wandern. »O verdammt!«
»Ganz meine Meinung«, stimmte Geary ihr zu. Er wusste, Rione hörte ihnen zu und fragte sich, was wohl los war. »Da ist ein zweites Handelsschiff der Syndiks unterwegs, das fast den Sprungpunkt auf der anderen Seite des Systems erreicht hat. Es wird noch genug Zeit haben, um unsere Ankunft zu sehen, bevor es den Sprung unternimmt, und diese Information wird es den Syndik-Behörden im nächsten System überbringen.«
»Schon gut, dass wir uns hier nicht länger aufhalten wollen«, meinte Desjani. »In Baldur gibt es nichts, was wir benötigen. Es ist nur ein zweitrangiges Sternensystem.«
Geary nickte, während seine Gedanken ein Jahrhundert zurückwanderten. In die Zeit vor dem Krieg, in die Zeit, bevor er sich einen verzweifelten Kampf mit den Syndiks lieferte, als die ihren ersten Überraschungsangriff starteten. In die Zeit, bevor er es nur mit Mühe in eine beschädigte Rettungskapsel schaffte, in der er hundert Jahre im Kälteschlaf verbrachte, ehe er mit einem Mal zum Befehlshaber einer ganzen Flotte geworden war, deren Überleben auf seinen Schultern lastete. In eine Zeit, als er nur John Geary war, ein ganz normaler Flottenoffizier, nicht der mythische Held Black Jack Geary, von dem die Menschen dieser Zeit glaubten, er könne alles schaffen, was er sich vornahm. »Vor dem Krieg sind die Leute nach Baldur gereist«, sagte er in einem fast gedankenverlorenen Tonfall. »Touristen. Sogar aus der Allianz.«
Desjani betrachtete ihn ungläubig. »Touristen?« Nach einem Jahrhundert erbitterter Kriegführung musste der Gedanke für sie völlig absurd sein, eine Vergnügungsreise in ein Territorium zu unternehmen, das sie ihr Leben lang nur als Feindgebiet gekannt hatte.
»Ja.« Gearys Blick wanderte zu der Darstellung der einzigen bewohnten Welt. »Da unten gibt es ein paar spektakuläre Landschaften zu sehen. Auch wenn die Menschheit bereits so viele Welten besiedelt hatte, fand sich da unten etwas absolut Einzigartiges. Etwas, das man gesehen haben musste, um seine Bedeutung zu verstehen. Jedenfalls erzählte man sich das früher.«
»Etwas Einzigartiges?« Desjani musterte ihn zweifelnd.
»Ja«, wiederholte Geary. »Ich habe einmal ein Interview mit jemandem gesehen, der dort gewesen war. Er sprach davon, dass es etwas Ehrfurcht einflößendes war, als würden die eigenen Vorfahren neben einem stehen, wenn man sich dort umschaute. Aber vielleicht ist ja irgendetwas vorgefallen, immerhin hat Baldur kein Hypernet-Portal erhalten.« Sein Blick wanderte zu Desjani, die nach wie vor verblüfft dreinschaute, aber so wie immer jedes Wort aus seinem Mund akzeptierte, war sie doch davon überzeugt, dass die lebenden Sterne ihn geschickt hatten, damit er die Allianz rettete.
Sie deutete auf ihr Display. »Dann möchten Sie vermeiden, dass der Planet bombardiert wird?«
Geary hätte sich fast verschluckt. Nachdem ein Jahrhundert lang Feindseligkeiten mit den Syndiks ausgetauscht worden waren, konnten sich sogar Offiziere der Allianz auffallend kaltblütig verhalten. »Ja«, brachte er heraus. »Wenn sich das irgendwie einrichten lässt.«
»Aber sicher«, erklärte Desjani. »Die militärischen Einrichtungen befinden sich vorrangig im Orbit. Wenn wir sie unschädlich machen müssen, erfordert das kein Bombardement der Planetenoberfläche.«
»Wie praktisch«, konterte er ironisch. Er lehnte sich zurück und versuchte, seine Nerven zu beruhigen, die sich seit der Ankunft im Baldur-System in höchster Alarmbereitschaft
Weitere Kostenlose Bücher